Russland muss schwerste Gegenschläge Kiews auf eigenem Gebiet hinnehmen. Ausnahmezustand herrscht dabei nicht nur in der Region Kursk. Was ist das Ziel der ukrainischen Offensive? Und was bedeutet sie für die möglichen Friedensverhandlungen? Fragen und Antworten zur Lage sowie den Aussichten.
Russland muss in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine die bisher schwersten Gegenschläge Kiews auf eigenem Gebiet hinnehmen. Nicht nur in der Region Kursk herrscht Ausnahmezustand inmitten andauernder Kämpfe russischer und ukrainischer Soldaten. Es gibt viele Tote. Auch mit Drohnenangriffen setzt die Ukraine Russland zu: Behörden melden Explosionen, Zerstörungen und viele Verletzte. Die Ukraine, die zuletzt im eigenen Land in der Defensive war, will den Krieg nun verstärkt nach Russland tragen und so auch für mögliche Verhandlungen in eine bessere Position kommen. Fragen und Antworten zur Lage und den Aussichten.
Was bezweckt die Ukraine mit ihren Angriffen auf Russland?
„Der Ukraine geht es um das Ergreifen der Initiative durch ein Überraschungsmoment und die Herrschaft im Informationsraum. Diese taktischen Ziele hat die Ukraine erreicht“, sagte der Militärexperte Nico Lange. Ob weitere operative Ziele im Gebiet Kursk verwirklicht werden können, sei derzeit offen. „Die Ukraine hat auch erreicht, dass russische Einheiten sich in Richtung Kursk in Bewegung setzen mussten und dabei auf dem Marsch sehr verwundbar sind“, sagte Lange, der für die Münchner Sicherheitskonferenz arbeitet und zuvor Chef des Leitungsstabs im deutschen Verteidigungsministerium war. Die Ukraine habe russischen Einheiten auf diesem Weg in Hinterhalten große Verluste zugefügt.
Ziel könnte es sein, eine grenznahe Schutzzone zu schaffen, um den Beschuss eigenen Territoriums durch den russischen Gegner zu minimieren, wie der präsidentennahe ukrainische Politologe Wolodymyr Fessenko bei Facebook nahelegt. Militärisch könnte die Ukraine so auch russische Kräfte binden und andere Frontabschnitte entlasten wie bei Wowtschansk im Gebiet Charkiw oder an der unter Druck stehenden Front bei Donezk.
Doch geht es Fessenko zufolge auch darum, den Bündnispartnern etwas zu beweisen: „Der ukrainische Vorstoß auf das Kursker Gebiet ist auch eine Demonstration für die Amerikaner, dass man Angriffe auf russisches Territorium nicht zu fürchten braucht.“ Diese könnten somit auch eine Freigabe für den Einsatz ihrer Waffen auf russischem Boden erteilen.
Welche Erfolgsaussichten hat der Vorstoß in der Region Kursk?
Experten des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) schreiben, ukrainische Soldaten seien bis zu 35 Kilometer über die eigene Grenze hinaus vorgestoßen, ohne allerdings das ganze Gebiet unter Kontrolle zu haben.