Mit einer großen Rede im Schloss von Versailles steckt Macron seinen weiteren Kurs ab. Im ersten Amtsjahr hat er viel angestoßen, doch der Vorwurf einer Schieflage seiner Politik wird lauter.
Es ist vielleicht die Achillesferse im Image des französischen Staatschefs Emmanuel Macron: Mehr als 70 Prozent der Franzosen halten die Regierungspolitik von Frankreichs Chef-Reformer zwei aktuellen Umfragen zufolge für ungerecht. Selbst in Macrons eigenen Reihen mehren sich nach gut einem Jahr im Élyséepalast Stimmen, die nach dem Feuerwerk an wirtschaftsfreundlichen Reformen ein sozialeres Gesicht der Regierung sehen wollen. Seine politischen Gegner bemühen sich ohnehin schon lange, ihn als „Präsidenten der Reichen“ abzustempeln.
Ein Schlagwort, das gefährlich werden kann, wenn es sich weiter in den Köpfen festsetzt. Entsprechend kämpferisch stemmte sich Macron nun in seiner Grundsatzrede am Montag vor beiden Parlamentskammern dagegen: „Eine Politik für die Unternehmen ist keine Politik für die Reichen, sondern eine Politik für die ganze Nation“, verteidigte er sich am Montag im Schloss von Versailles. „Wenn man den Kuchen verteilen will, ist es die erste Bedingung, dass es einen Kuchen gibt.“
Der Auftritt im prachtvollen Dekor der früheren Königsresidenz wurde in Frankreich als eine Art Rede zur Lage der Nation eingestuft, wie sie der US-Präsident einmal im Jahr hält. Französische Beobachter sehen Macron in schwerem Fahrwasser: Er suche „einen neuen Elan“, schrieb die renommierte Zeitung „Le Monde“. Beim konservativen „Le Figaro“ hieß es, Macron versuche „die Oberhand zurückzugewinnen“.
Denn der 40 Jahre junge Staatschef hat seit seiner Wahl im Mai 2017 zwar eine eindrucksvolle Liste von Reformen abgearbeitet oder auf den Weg gebracht, sogar die Eisenbahner-Gewerkschaften zwang er in die Knie. Doch bei seinen Beliebtheitswerten zeigte der Trend zuletzt nach unten – auch wenn er noch besser dasteht als seine Vorgänger François Hollande und Nicolas Sarkozy zur gleichen Zeit. Und laut dem Institut Kantar Sofres vertraut nur noch ein knappes Drittel (32 Prozent) der Franzosen Macron, sechs Punkte weniger als vor einem Monat und der niedrigste Stand seit Beginn seiner Amtszeit.