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Wirecard-Skandal: Was hatten Scholz und Merkel mit dem Milliardenbetrug zu tun?

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Ein Milliardenbetrug und internationale Haftbefehle: Das ist die Geschichte der Finanzfirma Wirecard. Wir erklären Ihnen, was Sie wissen sollten.
Showdown im Wirecard-Untersuchungsausschuss: Olaf Scholz sagte am Donnerstag aus, Merkel folgt am Freitag. Es geht um nicht weniger als die Mitverantwortung am größten deutschen Finanzskandal. Ein deutsches Vorzeigeunternehmen der ersten Börsenliga, ein durchtriebener Manager, fast zwei Milliarden Euro, die verschwunden sind – und ein Dax-Vorstand, der sich für einen Geheimagenten hält und mittlerweile international gesucht wird: Die Geschichte des deutschen Unternehmens Wirecard ist perfekt für die ganz große Leinwand. So spektakulär der Skandal ist – so entscheidend ist seine Aufarbeitung. Am Donnerstag sagte bereits Olaf Scholz im parlamentarischen Untersuchungsausschuss – dem „schärfsten Schwert des Parlamentarismus“ – zu Wirecard aus, am Freitag folgt Kanzlerin Angela Merkel. Doch was ist eigentlich passiert? Welche Rolle spielten die Wirecard-Manager, welche die Wirtschaftsprüfer – und was hat der Finanzminister und die Bundeskanzlerin mit all dem zu tun? t-online führt Sie durch einen Dschungel aus Lügen, Verstrickungen und Betrügereien, erklärt Ihnen den Hintergrund des Wirecard-Skandals – und die politische Dimension des Untersuchungsausschusses. Wirecard ist ein Zahlungsanbieter mit Sitz in Aschheim bei München. Binnen 20 Jahren entwickelte sich das Unternehmen von einem Dienstleister der Porno- und Glücksspielindustrie zum vielgefeierten Star unter den 30 Dax-Konzernen und damit zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten großer Firmen in der globalen Finanzlandschaft. 1999 entstand Wirecard aus zwei Vorgängerunternehmen, „Wire Card“ und „EBS“.1999 wurde „Wire Card“ gegründet, ein Zahlungsdienstleister in den Anfängen des Onlinehandels. Zu diesem stieß Markus Braun im Jahr 2000 hinzu – als Berater der Unternehmensberatung KPMG. Kurz zuvor wurde die EBS AG gegründet, die „Electronic Billing Systems AG“, ein Unternehmen, das sein Geld mit Abwicklungen von Zahlungen an Pornowebseiten verdiente. Damals lief das noch über die Telefonrechnung. Als die Wire Card AG finanzielle Probleme bekam, hat die EBS sie übernommen. Braun fädelte dies ein. Er wechselte von KPMG zu dem Unternehmen – und wurde Vorstandsvorsitzender und Technikvorstand. Noch vor Braun war Jan Marsalek bei „Wire Card“. Marsalek wurde die rechte Hand von Braun, jahrelang war er als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft zuständig.2005 ging die Firma über die „Infogenie AG“, eine Firma, die im Zuge des Platzens der Börsenblase gescheitert war, „durch die Hintertür“ an die Börse.2006 benannte sich die Firma um: in Wirecard. Zunächst wickelte sie hochriskante Zahlungen von Porno- und Glücksspielwebseiten ab, am Rande der Legalität. Das Duo Braun und Marsalek baute Wirecard weiter aus – und änderte die Kundengruppe des Unternehmens: weg von Zahlungsabwicklungen in der Pornoindustrie hin zum Dienstleister anerkannter, internationaler Firmen wie der Airline KLM, dem Haushaltsartikel-Spezialisten WMF oder dem Paketdienst FedEx. Mit dem neuen Geschäftsmodell und Kundenstamm wuchs die Reputation von Wirecard – auch unter Anlegern. Der Aktienkurs von Wirecard stieg rasant an,2018 ersetzte Wirecard die teilstaatliche Commerzbank in der ersten deutschen Börsenliga, dem Deutschen Aktienindex (Dax). Lange währte der Erfolg aber nicht (siehe unten). Der Konzern wickelte hauptsächlich Kartenzahlungen sowohl an Ladenkassen als auch im Onlinegeschäft ab. Wenn jemand im Internet oder an der Kasse mit Kreditkarte bezahlte, sorgte Wirecard dafür, dass das Geld auch beim Onlineshop oder Supermarkt ankam. Dafür kassierte Wirecard eine Gebühr – einen sehr kleinen Prozentsatz des Umsatzes. Das Wirecard-Geschäft lohnte sich deshalb erst bei besonders vielen Kunden und Transaktionen. Für die Transaktionen arbeitete Wirecard mit Treuhandkonten. Diese sprangen ein, wenn das Konto eines Kunden nicht gedeckt war – und die Zahlung eigentlich nicht stattfinden hätte können. Die Treuhandkonten sorgten also als Art Versicherung dafür, dass die Zahlungen reibungslos abliefen. Für sein Geschäft betrieb Wirecard in Europa auch ein eigenes Kreditinstitut, die Wirecard Bank – samt vollwertiger Banklizenz. Die Wirecard Bank sorgte als Mittelsmann dafür, dass das Geld von den Kartendiensten zu den Händlern kommt. In anderen Ländern, wo Wirecard keine solchen Lizenzen hatte, arbeitete die Firma mit Drittfirmen zusammen, die dafür Provisionen erhielten. In Asien etwa unterhielt Wirecard ein kompliziertes Netzwerk aus rund 100 Partnern, deren Geschäfte untereinander auch wiederum mit Treuhandkonten abgesichert wurden. Diese komplizierte Firmenstruktur mit Treuhändern in verschiedenen Ländern spielte eine entscheidende Rolle beim Bilanzskandal von Wirecard. Denn erst durch die Treuhandkonten in Asien sah es so aus, als würden Dritte dem Wirecard-Konzern offene Rechnungen per Überweisung bezahlen und auf diesen Konten zwischenparken. Tatsächlich existierten 1,9 Milliarden Euro aber nicht (siehe unten). Wie genau es zum Milliardenbetrug bei Wirecard kam, lässt sich bislang nur schwer rekonstruieren. Fakt ist: Im Juni 2020 brach das mühsam aufgebaute Kartenhaus zusammen. Eine Chronologie des Wirecard-Skandals: Frühjahr 2015: In der britischen „Financial Times“ („FT“) werden erste Vorwürfe gegen Wirecard laut. In der Artikelserie „The House of Wirecard“ hinterfragt der „FT“-Journalist Dan McCrum erstmals das schnelle Wachstum – und das unklare Geschäftsmodell des Konzerns. Anfang 2019: Die „FT“ legt nach. In mehreren Artikeln wirft die britische Zeitung dem Konzern vor, dass Manager in Asien Verträge, Bilanzen und Rechnungen gefälscht und Geldwäsche betrieben haben sollen. Der Aktienkurs von Wirecard rauscht daraufhin erneut nach unten. Februar 2019: Die Bafin verhängt aufgrund des massiven Kurseinbruchs der Wirecard-Aktie ein Leerverkaufsverbot auf die Titel des Konzerns. Das heißt: Wetten auf einen fallenden Kurs der Wirecard-Aktie sind nicht mehr erlaubt – eine Schutzmaßnahme, für die Bafin später viel Kritik einstecken wird. März 2019: Wirecard veröffentlicht die Ergebnisse eines Prüfberichts einer Rechtsanwaltskanzlei aus Singapur und sieht sich als entlastet an. Das Unternehmen erstattet Anzeige gegen den Journalisten McCrum und die „Financial Times“. April 2019: Die Bafin zieht nach – und erstattet ebenfalls Anzeigen gegen die „FT“. Sie geht davon aus, dass die Zeitung mit den Shortsellern gemeinsame Sache macht, um den Kurs der Wirecard-Aktie zum Einsturz zu bringen und um mit Wetten auf diesen Kurssturz Geld zu verdienen. Oktober 2019: Die „FT“ lässt nicht locker – sondern veröffentlicht weitere kritische Beiträge über Wirecard. Unter anderem berichtet sie jetzt von zu hoch ausgewiesenen Gewinnen in den Bilanzen des Münchner Unternehmens. Kurze Zeit später kündigte Wirecard eine Sonderprüfung ihrer Bilanzen durch die Prüfungsgesellschaft KPMG an. Regulärer Buchprüfer bei Wirecard ist bis dahin eigentlich KPMG-Konkurrent EY. März 2020: Wirecard verschiebt die Veröffentlichung seiner Jahresbilanz von 8. April auf 30. April 2020. Die KPMG-Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen. Sie habe sich unter anderem wegen der Corona-Pandemie verzögert, so der Konzern. Ende April 2020: KPMG übergibt Wirecard den Bericht zur Sonderprüfung. Der Zahlungsdienstleister sieht sich abermals als entlastet an. Doch einige wichtige Fragen bleiben immer noch unbeantwortet. So kann die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Höhe und zur Existenz der Umsätze aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft in den untersuchten Jahren 2016 bis 2018 keine Aussage treffen. Es bleibt unklar, ob die Umsätze existieren und korrekt sind oder ob es sie gar nicht gibt. Wirecard verschiebt die Veröffentlichung der Konzernbilanz erneut. Mai 2020: Das Unternehmen kündigt an, ab 1. Juli ein Compliance-Ressort einzurichten – Vorstand soll der US-Manager James Freis werden, der zuvor bei der Deutschen Börse AG tätig war.

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