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Fluthelden Markus Wipperfürth und Wilhelm Hartmann auf Besatzerkurs an der Ahr

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Sie kamen als Helfer an die Ahr und wurden Flut-Helden, nun sind sie für manche Besatzer: Markus Wipperfürth und Wilhelm Hartmann haben sofort angepackt. Doch sie setzen ihre riesige Fangemeinde auf Facebook als Druckmittel ein.
Sie kamen als Helfer an die Ahr und wurden Fluthelden, nun sind sie für manche Besatzer: Zwei Unternehmer haben sofort angepackt. Doch inzwischen wächst das Unbehagen, weil sie ihre riesige Fangemeinde auf Facebook als Druckmittel einsetzen. Wilhelm Hartmann war wahrscheinlich der erste Helfer nach der verheerenden Flutnacht an der Ahr, von dem die Welt erfuhr. Beim hessischen Radiosender FFH ging am 15. Juli um 8.40 Uhr seine Sprachnachricht auf den Sender: Er ist aus Fulda mit Gerät seines Gartenbaubetriebs unterwegs. So begann eine Heldengeschichte mit ihm und Markus Wipperfürth in den Hauptrollen, zwei Männern, die sich enorme Verdienste erworben haben und ihr Epos auch gegen Widerstände selbst fortschreiben. Niemand an der Ahr hat so viel Social-Media-Power: Sie betreiben große Facebook-Accounts mit Hunderttausenden Abonnenten und bringen sehr viel Sendungsbewusstsein mit. Wipperfürth macht auf Facebook „Wippi TV“ und begleitet seit Jahren die Bauernthemen und -proteste mit Live-Videos, Hartmann ist „Azubi Wilhelm Hartmann“, seit er mal für Wipperfürth bei einer Demo eingesprungen ist. Die Bauern haben oft einen schweren Stand, Wipperfürth und Hartmann wissen zu kämpfen. Der Meister und sein Lehrling halten auch an der Ahr zusammen und sie sind zu Gesichtern der Flutkatastrophe geworden: Die beiden Männer sind gekommen, haben in der Katastrophe nicht gefackelt, sondern losgelegt, ohne auf Antworten überforderter Behörden in Schockstarre zu warten. Das war wichtig. Weil sie ausgiebig davon erzählt haben, haben sie sich enormen Respekt erworben. Sie haben große Summen an Spenden und an Einnahmen generiert und viele Helfer inspiriert. Man findet kaum jemanden an der Ahr, der nicht sagt, dass sie Großes geleistet haben. Dann kommt bei einigen das Aber. Denn Wipperfürth und Hartmann kamen nicht aus ihrem Einfach-machen-Krisenmodus raus. Sie sind geblieben, haben weiterhin nicht viel gefragt, sondern gemacht. Und dann ihre Anhänger mobilisiert und Shitstorms entfacht, wenn es nicht lief, wie sie wollten. Manch einer in der Region hat inzwischen Angst vor den Männern, die zum Helfen gekommen sind, ihr Tun bei Facebook verbreiten und sich so eine verschworene Anhängerschaft aufgebaut haben. Bürgermeister erhoffen sich ein Zeichen gegen den aus ihrer Sicht zu großen Einfluss, kritische Stimmen verschwinden. Wie aber konnte es überhaupt passieren, dass die Helfer zunehmend auch als Besatzer wahrgenommen werden? Durch umfangreiche Recherchen und Gespräche mit Dutzenden Menschen in Hilfsdiensten, Unternehmen und Verwaltungen rekonstruiert t-online die Geschichte vom gekaperten Ahrtal. Es fing alles damit an, dass Wilhelm Hartmann und Markus Wipperfürth schon bereit waren, als andere die Katastrophe nicht mal kommen sahen. Beide haben mit der Landwirtschaft zu tun, Hartmann ist zudem im Winterdienst tätig. Sie haben ein Auge fürs Wetter. Und Hartmann hat zwei Mal beim Elbe-Hochwasser geholfen. Als der Fuldaer am 14. Juli abends eine neue WhatsApp-Gruppe „Fluthilfe NRW“ eröffnet und Wipperfürth hinzufügt, hat der Kreis Ahrweiler noch nicht mal Katastrophenalarm ausgelöst. Unter Helfern an der Ahr gibt es da aber bereits das erste Opfer. Der 19-jährigen Katharina Kraatz kann an dem Abend gegen 18 Uhr niemand mehr helfen, als sie helfen will. Die Feuerwehrfrau stirbt, weil sie auf einem Campingplatz in einem Mobilheim eine bettlägerige Frau retten will. Das Wasser kommt zu schnell, auch ein Hubschrauber kann das Schlimmste nicht verhindern. Auf ihrer Todesanzeige steht der 18. Juli. Es ist der Tag, an dem ihr Leichnam ahrabwärts gefunden wird. Bei der Flut sterben im Ahrtal mindestens 134 Menschen. Auch Wipperfürth und Hartmann müssen Tote sehen in den ersten Tagen. Sie haben sich am späten Vormittag des 15. Juli bei Haribo verabredet. Der Konzern hat nur wenige Kilometer oberhalb der Ahr seine Zentrale. Dort treffen nun Einsatzkräfte ein und werden verteilt. Für die achtköpfige Helfergruppe um Hartmann und Wipperfürth geht es mit den Geräten zur Feuerwehr Bad Neuenahr, von dort in den Stadtteil Walporzheim, in dem sich Schutt und Autos meterhoch stapeln. Es gibt unglaublich viel zu tun. Der örtliche Bauunternehmer Hans-Bernd Münch hat schon seit dem Morgen Zufahrtswege in Walporzheim freigebaggert und freut sich, dass nach einer Gruppe THWler weitere Verstärkung da ist. Um 16.09 Uhr postet Wipperfürth das erste Foto von dort. Er muss dafür auf den Berg, es gibt kaum Netz im Ahrtal. Die Resonanz ist gewaltig. Wipperfürths Seite wächst zur „wohl größten Plattform für Hilfsangebote und -gesuche im Zusammenhang mit der Flut“, schreibt der Branchendienst meedia.de und wertet aus: Wipperfürth bekommt in der ersten Tagen nach der Flut so viele Facebook-Reaktionen wie „ZDF heute“, „Bild“, „tagesschau“ und „Der Spiegel“ zusammen. Tatsächlich hat der Staat gar nicht so viele wendige Maschinen so schnell verfügbar wie die Landwirte, und die 500 Fahrzeuge der Bundeswehr mit Bergepanzern und Pontonbrücken kommen erst später. Die Landwirte zur Verstärkung in seinen Bildern stammen überwiegend aus dem nahen Westerwald. In anderen Teilen des Tals gehen Bauern und Bauunternehmen aus anderen Regionen ans Werk. Sie bringen die Einstellung mit, die Wipperfürth demonstriert: „Wir sind hier unentgeltlich“, erklärt er. „Ob wir noch was kriegen, wäre natürlich schön, ich gehe davon aus, dass nicht.“ Wipperfürth hat ein halbes Jahr später Aufträge für mehrere Hunderttausend Euro im Ahrtal erhalten. Das ist auch nicht ehrenrührig – wieso sollten Firmen nicht bezahlt werden? Es macht aber keine Helden aus. Weitere Arbeiten haben ihm die Zuschauer seiner zahllosen Videos und Facebooks Werbekunden finanziert. Davon hat er nach seinen Worten Reitplätze saniert, ein Geschäftszweig seines Unternehmens. Damit seien die Werbeeinnahmen ja auch dem Aufbau zugute gekommen. Reitplatz-Sponsoring war vielleicht nicht das, was manch ein Zuschauer erwartet hat. Wipperfürth hätte aber auch alle Einnahmen aus Werbung von mehreren Hunderttausend Euro ohne Arbeit einfach aufs Konto fließen lassen können – abzüglich „unnötiger Kosten, die durch die Seite anfallen. Der Stundensatz eines renommierten Medienanwalts liegt bei 300 bis 400 Euro.“ Das zahle er auch von der Werbung. Nicht nur die Bauern strömen ins Tal. „Es ist Wahnsinn, wie viel Leute jetzt hier zum Helfen sind“, berichtet Wipperfürth am Tag zwei direkt aus dem Einsatz. „Ich seh’s ja nur hier bei uns in der Ecke, und wir können nur für uns sprechen.“ Es kommen überwältigend viele, die den Menschen an der Ahr helfen wollen. So viele, dass die Appelle in Erinnerung bleiben, bitte nicht mehr zu kommen, weil es kein Durchkommen mehr gibt auf den verschlammten, mit Unrat übersäten und kaputten Straßen. Für dieses Problem gibt es am dritten Tag eine Lösung: Das Helfer-Shuttle startet. Von gut erreichbaren Orten auf der Höhe werden die Helfer nun gesammelt mit Bussen ins Tal gebracht, die Zentrale ist wieder in der Nähe von Haribo. Die Shuttle-Initiatoren Marc Ulrich und Thomas Pütz, die beide im Tal zu Hause sind, ahnen noch nicht, wie eng ihr Verhältnis zu Wipperfürth und Hartmann noch werden wird. Ihr Helfer-Shuttle und ein Containerdorf von Hartmann sind Nachbarn geworden. An der Geschichte der Container lässt sich festmachen, wieso es auch großen Unmut über die Helfer und ihre Methoden gibt. Am 21. August landen Container im Ahrtal, die ein Obstbauer aus dem Fränkischen doch nicht wie geplant für Saisonarbeiter nutzen kann. Er hat sie an Hartmann verkauft, für 155.000 Euro. Allerdings ohne konkretes Zahlungsziel. „Wenn es gar nicht gegangen wäre, hätte ich sie auch zurückgenommen“, sagt der Bauer t-online. Hartmann überweist zwar Raten, aber Mitte Januar 2022 wartet der Obstbauer noch immer auf Geld. Die Container sind ausgemusterte Flüchtlingsunterkünfte aus Hessen, die wegen ihrer schlechten Isolierung in der Kritik gestanden hatten und nie voll belegt waren. Derartige Wohnboxen aus der Zeit der Flüchtlingskrise gibt es viele in Deutschland. Das Land Berlin hat dem Kreis Ahrweiler nicht benötigte Wohn- und Sanitärcontainer überlassen.

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