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Kinderräder im Test

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Früher wurden Fahrräder von einer Generation an die nächste vererbt. Heute lernen Dreijährige das Radfahren auf 400-Euro-Rädern. Macht das einen Unterschied? Wir haben sechs Modelle getestet.
Für viele Mütter und Väter geht das Rennen um Statussymbole schon mit dem Kauf von Kinderwagen und Babyschale los. Um zu erfahren, welche Marken angesagt sind, muss man keine Recherche betreiben. Es reicht ein Spaziergang durch die Stadt. Dieser Text enthält sogenannte Affiliate-Links, über die der Verlag, aber nie der Autor individuell, bei Verkäufen eine geringe Provision vom Händler erhält. In Hamburg radeln die vermeintlich coolen Kinder derzeit mit der Marke» Woom«. 350 Euro kostet das kleinste Fahrrad dieser Marke, gedacht für die Altersklasse drei bis viereinhalb Jahre. 350 Euro für ein Kinderfahrrad auszugeben, das spätestens nach 18 Monaten zu klein sein wird – das scheint mir Wucher zu sein. Offenbar bin ich nicht die Einzige, die an dem Preisleistungsverhältnis zweifelt. Als meine Tochter und ich auf dem Spielplatz einer Kollegin und ihrem Sohn über den Weg laufen, schämt sie sich sichtlich für das» Woom«-Fahrrad, das der Kleine fährt. Er habe motorische Probleme, sagt sie entschuldigend, mit anderen Fahrrädern sei er nicht klargekommen, die seien so schwer. Mit diesem dagegen habe das Fahren sofort geklappt. Bis zu dieser Unterhaltung hatte ich mir ehrlich gesagt keine großen Gedanken darüber gemacht, mit welchem Rad meine Tochter das Fahrradfahren lernen sollte. Beim Kauf ihres Laufrads hatte ich einfach auf Ebay Kleinanzeigen nach einem in der Nachbarschaft gesucht. 30 Euro hatte es gekostet, die Marke war mir egal – und meiner Tochter sowieso. Aber steckt hinter dem» Woom«-Hype doch mehr als die übliche Schaut-her-was-ich-mir-leisten-kann-Protzerei? Lernen Kinder damit tatsächlich schneller Fahrradfahren? Jetzt wollte ich es genauer wissen. Meine Tochter Lara, 3, und Lenni, 4, der Neffe meines Kollegen Florian Gontek. Lara ist ein laufender Meter und liebt ihr Laufrad, hat aber erst zweimal auf einem Fahrrad gesessen und wenige Fahrversuche gewagt. Lenni ist ein schon recht routinierter Radler, er hat das Radfahren vor eineinhalb Jahren auf einem Puky-Kinderrad mit der Hau-Ruck-Methode gelernt: Festhalten, Loslassen, Fahren. Seinem Laufrad sei Dank hat das geklappt. Die Testräder sind alle per Post geliefert und von uns zusammengebaut worden. Lara war beim Auspacken und Montieren dabei, Lenni sieht die sechs Räder zum ersten Mal als wir sie in einer Reihe vor dem SPIEGEL-Haus aufstellen. Die beiden haben die freie Wahl zwischen den sechs Modellen und sollen sich als Erstes nehmen, welches ihnen am besten gefällt. Bei Lenni ist es das zweitteuerste Rad aus unserem Test, das KUbikes 16S für rund 410 Euro. Lara entscheidet sich für das günstigste, das B’TWIN von Decathlon für rund 125 Euro. Beide testen zunächst draußen auf der gepflasterten Terrasse vor dem SPIEGEL-Haus und wegen eines Sturms dann drinnen im Atrium auf glänzend poliertem Steinboden.
»Ein Einhorn! «, Lara jubelt schon beim Auspacken des Fahrrads. Auf Erwachsene mag der klobige pinkfarbene Kettenkasten billig wirken, die Dreijährige ist einfach nur begeistert. Das darauf abgebildete Comic-Einhorn hat riesengroße Augen und eine lange türkisfarbene Mähne. Damit scheint der Hersteller genau den Geschmack von Lara zu treffen. Ich frage mich insgeheim, was ich in den vergangenen drei Jahren falsch gemacht habe, dass ich nun trotz aller Anstrengungen in der pinkfarbenen Mädchen-Markenhölle gelandet bin. Eine Aufbauanleitung gibt es nicht, Werkzeug wird auch keines mitgeliefert. An der Montage der Bremsschläuche friemeln wir etwas länger herum. Einen Seitenständer hat das Rad nicht, dafür aber Stützräder, die Lara unbedingt montiert haben will, was ich ihr nach einem Gespräch mit einer Expertin des ADFC aber verweigere. Generell gilt: Je leichter das Rad, desto einfacher ist das Fahren lernen für die Kinder. Die Faustregel, dass Kinderräder maximal ein Drittel des Körpergewichts ihrer kleinen Fahrer wiegen sollten, müsse man nicht zu streng nehmen, sagt Laura Ganswindt vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Aber:» Das Gewicht des Fahrrads macht einen großen Unterschied! «
Sie berichtet, dass ihr eigener Sohn zunächst große Schwierigkeiten mit dem Radfahren lernen hatte. »Er war super aktiv mit seinem Laufrad, aber mit dem Fahrrad hat es ein halbes Jahr lang nicht geklappt. « Den Durchbruch habe tatsächlich der Kauf eines Fahrrads mit Aluminiumrahmen gebracht, berichtet sie. Ein weiterer Vorteil leichter Räder: Erwachsene können sie relativ unkompliziert tragen, wenn zum Beispiel eine Treppe überwunden werden muss. Fahrräder mit Rahmen aus Aluminium sind sehr viel teurer als herkömmliche mit Rahmen aus Stahl. Von dem hohen Preis sei sie selbst überrascht gewesen, sagt ADFC-Expertin Ganswindt.» Aber tatsächlich haben solche Räder einen hohen Wiederverkaufswert. Wir haben das Rad später fast zum Neupreis wieder verkaufen können. «
Außerdem:» Das erste Rad kann der Einstieg in eine Karriere als Radfahrer werden und die Weichen fürs ganze Leben stellen. Ausgerechnet bei diesem Rad sparen zu wollen, ist deshalb keine gute Idee«, sagt Ganswindt.» Klar, ich stamme auch noch aus einer Generation, in der Kinder mit Omas altem Klapprad gelernt haben. Aber wir sind auch ständig hingefallen und hatten tausend Schürfwunden. Dieser Ansatz ist mittlerweile überholt. «
»Stützrädern behindern Kinder eher, als dass sie nützen«, sagt Ganswindt. Denn sie helfen nicht beim Lernen des Balancehaltens. Kinder, die sich an Stützräder gewöhnt haben, müssen später wieder von vorne anfangen, wenn sie ohne Stützräder fahren wollen. Sogenannte Spielräder müssen nicht unbedingt ein Fahrradlicht oder eine Klingel haben.» Aber je früher die Kinder sich an die Ausstattung verkehrssicherer Räder gewöhnen, desto besser«, sagt Ganswindt. Von Schnickschnack wie flatternden Bändern am Lenker rät sie ab.»So etwas lenkt Kinder nur ab«, sagt sie. Aber: Wenn ein Kind sich sehnlichst einen Korb wünscht, um darin Puppe oder Teddy mitnehmen zu können oder eine lustige Klingel haben will, können Eltern darauf ruhig eingehen.» Das Wichtigste ist, dass die ersten Erlebnisse mit Fahrrad so schön wie möglich sind. «
Aus Sicht der ADFC-Expertin sind Seitenständer an Spielrädern verzichtbar. Bei unserem Fahrradtest wurde aber klar: Ohne Ständer fallen die Räder ständig um, verschrammen im Zweifelsfall umliegende Wände und sehen schnell sehr mitgenommen aus. Kleineren Kindern fällt zudem das Aufrichten der Räder schwer. Eine solche Schiebestange mag bequem sein für die Erwachsenen, sie beeinträchtigt aber das Fahrverhalten des Rads – und macht es in jedem Fall schwerer. Deshalb: lieber darauf verzichten. Ganswindt empfiehlt, Kinder, die noch nicht Radfahren können, im Fachgeschäft zumindest Probesitzen zu lassen.» Fachhändler sind geschult darin, zu erkennen, welches Rad am besten passt«, sagt sie.

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