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„Lindner hat seinen Rauswurf erfleht“

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Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder im FR-Interview über das Scheitern der Ampel-Koalition und den anstehenden Wahlkampf.
Stand: 10.11.2024, 16:34 Uhr
Von: Bascha Mika
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Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder im FR-Interview über das Scheitern der Ampel-Koalition und den anstehenden Wahlkampf.
Herr Schroeder, als Christian Lindner seine Erklärung zum Rauswurf durch Kanzler Scholz abgab, soll er Tränen in den Augen gehabt haben. Weinen Sie mit ihm?
(Lacht) Nein, ich finde dieses Spiel hätte schon viel früher beendet werden müssen. Ohne Not hat die FDP diese Regierung immer wieder in schweres Fahrwasser gebracht. Dagegen hat Volker Wissing sinngemäß gesagt: „Wir sind gewählt worden, um aus unserer Programmatik heraus daran mitzuwirken, dass diese Regierung gut regiert.“ Das ist etwas völlig anderes, als wenn man die anderen Partner permanent mit Maximalforderungen konfrontiert und so gut wie keine Kompromisslinien erkennen lässt.
Medien haben Lindner so hübsche Etiketten wie „Totengräber“ oder „Verantwortungsflüchtling“ angeklebt. Welches Label geben Sie ihm?
Typologisch gehört er zur Gruppe der populistischen, destruktiven Spieler mit politischer Doppelstrategie: Kabinettsbeschlüsse mittragen, dann seine Leute aus der Fraktion und Parteizentrale losschicken, damit die erklären: „Das geht so nicht!“ So wurde diese Regierung wundgerieben, dem sichtbaren Streit ist die Bevölkerung überdrüssig. Immer, wenn die FDP im Bund seit 2009 mitregierte, war sie für ihre Koalitionspartner eine toxische Partei. Zugleich muss man auch vorsichtig sein mit einer zu starken Personalisierung. Sowohl hinsichtlich der FDP-Parteielite, der Mitglieder wie auch der Wähler. Im Mitgliederentscheid stimmten 48 Prozent gegen den Verbleib in der Regierung; am Ende auch 38 Prozent der FDP-Wähler gegen den Ampel-Bruch.
Einstein soll mal gesagt haben: „Immer das Gleiche zu wiederholen und andere Folgen zu erwarten, ist die Essenz von Dummheit.“ Wie dumm sind dann die Liberalen? Ihre Umfragewerte sind kontinuierlich abgesackt, dennoch haben sie ihr Zerstörungswerk in der Koalition weiter fortgesetzt.
Die FDP scheint auf der zentralstaatlichen Ebene – anders als in den Ländern – handwerklich überfordert, kooperativ in einer Regierung mitzuarbeiten. Das haben zuvor auch die CDU, 2009 bis 2014, und die Grünen, 2017, erfahren. Sie ist sich ihrer unsicher, klammert sich an eine Hauptidee und ein Zugpferd. Mehrheitlich setzen FDP-ler auf einen minimalen Staat – damit meinen sie weniger Steuern und Regelungen sowie die Entfesselung der Märkte durch die Reichen und Fleißigen. Das Schicksal dieser Partei ist ihre programmatische Verengung. Jede deutsche Regierung hat drei große politische Felder zu beackern: soziale Gerechtigkeit, ökonomische Innovation und ökologische Nachhaltigkeit. Doch die FDP hat sich damit begnügt, ein neoliberales Mantra als Alleinstellungsmerkmal vor sich her zu tragen.

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