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Holocaust-Gedenktag: Gedenken als Staatsräson

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NewsHubEin junger Mann kniet auf dem Boden. Er jongliert mit sechs Bällen, während hinter ihm Soldaten ein Massengrab zuschaufeln. Die nackten Leichen liegen gestapelt in einem Graben, mehrere Soldaten arbeiten, einer gibt Anweisungen. Und vor ihnen: der konzentrierte Jongleur in Pluderhose.
Das ist zweifellos eine obszöne Szene. Das Bild verstört. Das soll es auch. Es ist eine Montage, die bis gestern auf der Website www.yolocaust.de zu finden war. Dort hatte der israelische Autor und Satiriker Shahak Shapira Fotos aus den Vernichtungslagern und von den Mordplätzen der Nationalsozialisten mit solchen von Touristen am Holocaust-Mahnmal in Berlin zusammengeschnitten – um die deutsche Erinnerungskultur zu hinterfragen, wie er selbst sagt. « Yolocaust » ist ein Kunstwort aus dem jugendsprachlichen « Yolo » für « You Only Live Once » (« Man lebt nur einmal ») und « Holocaust ». Der Begriff ist nicht neu; unter dem Hashtag sind beim Bilderdienst Instagram mehr als 6000 Fotos zu finden.
Acht Tage lang stand Yolocaust.de online. Shapira, der seit vielen Jahren in Berlin lebt, machte seine Seite am 18. Januar zugänglich – als in Deutschland über die Brandrede des AfD-Politikers Björn Höcke diskutiert wurde. Höcke hatte gesagt, die Deutschen seien « das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat ». Und Shapiras Projekt schlug ein. Über zweieinhalb Millionen Menschen haben sich die Seite angesehen, zeitweise brach sie wegen des Ansturms zusammen.
Die Bilder sind verschwunden
Auf den ersten Blick waren dort nur die Touristenfotos zu sehen, inklusive der Anzahl der « Gefällt mir »-Daumen (beim Jongleur sind es 542, unter der Beschreibung « Was für ein unglaublicher Ort »). Erst wenn man mit der Maus darüberfuhr, wurde die Montage sichtbar. Dann erschien etwa ein lächelndes Paar vor ausgemergelten KZ-Häftlingen. Oder eine junge Frau, sich rekelnd vor einem Berg Schuhe, die offenbar Menschen vor deren Gang in die Gaskammer abgenommen worden waren.
Am Donnerstag einen Tag vor dem Gedenktag der Bundesrepublik für die Opfer des Nationalsozialismus, verschwanden die Bilder. Stattdessen war eine Stellungnahme Shapiras zu lesen: Alle Abgebildeten hätten das Angebot genutzt, ihre Fotos entfernen zu lassen.

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