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Nach dem Türkei-Referendum: Die Hoffnung der Kurden lebt in Reinickendorf

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Terrorist, sagen sie in Ankara. Abtrünniger, heißt es auch aus Damaskus. Inoffiziell aber ist Masod Hasan ein Botschafter: Der Kurde vertritt in Berlin das syrische Rojava – und fürchtet Erdogans Sieg im Nachbarland nicht.
Dafür, dass sich zwei, vielleicht drei, vier, fünf Geheimdienste für ihn interessieren, dafür, dass er jederzeit mit einem Attentat durch Islamisten, syrische oder türkische Nationalisten rechnen muss, gibt sich Masod Hasan bescheiden. „Langsam werden wir anerkannt“, sagt der Mann im blassblauen Hemd leise. „Zumindest von den Amerikanern, aber auch schon in Europa.“
Masod Hasan steht in seinem Büro in einem Gewerbehof im Berliner Norden. Den Gästen bietet er Tee, Kaffee, Wasser und Pralinen an. Mehr als 2000 Kilometer weiter südlich provoziert selbst dieser harmlose Empfang zwei ohnehin schon wütende Staatschefs.
Für den syrischen Präsidenten Baschar al Assad ist Hasan ein Verräter. Jemand, der das Land spaltet – so als gäbe es da noch viel zu spalten, ein Abtrünniger. Und das ist vor allem nach dem Angriff der US-Luftwaffe auf syrische Truppen vor ein paar Tagen gefährlich.
Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist Hasan ein Terrorist – und zwar ein besonders gefährlicher. Um zu verhindern, dass sich Männer wie Masod Hasan irgendwann durchsetzen, verschärfte Erdogan seine Politik. Erst half er Islamisten in Syrien, schickte dann seine Armee ins Nachbarland, bombardierte schließlich auch die revoltierenden Kurden in der Türkei und hat sich nun zum Alleinherrscher wählen lassen wollen.
„Ich habe nichts gegen Syrien, ich habe auch nichts gegen die Türkei“, sagt Hasan. „Wir wollen Frieden und Ruhe – für alle.“ Doch Stabilität im Nahen Osten, sagt er, gibt es nur, wenn sich alle religiösen und ethnischen Gruppen auf ein föderales System einlassen. „Und Rojava ist ein Anfang.“ Rojava?
Eigentlich ist Masod Hasan, 41 Jahre, Apotheker. Seit einigen Monaten aber arbeitet er als Gesandter. Und dieses Büro in Reinickendorf mit Schreibtisch, Ledercouch, Regal und Zierpalme ist eine diplomatische Vertretung.
Rojava ist jene syrische Region an der Grenze zur Türkei, in der seit jeher viele Kurden, aber auch orientalische Christen leben. Während in Syrien vor allem arabische Sunniten gegen Assads Truppen kämpfen, unterstützen in Rojava viele Bewohner keine der beiden Seiten. Mit Assad wurde indirekt ein Waffenstillstand vereinbart.
„Wir haben uns für Selbstverwaltung entschieden“, sagt Hasan. „Das funktioniert.“ Eine laizistische, multiethnische Koalition erklärte Rojava vor einem Jahr für autonom. Sie erhebt Steuern, betreibt Schulen. Selten gibt es Gefechte mit anderen Oppositionellen oder Soldaten Assads, viel öfter mit Schergen des „Islamischen Staates“. Amerikaner und Russen unterstützen Rojava gleichermaßen. Das stört Assad und Erdogan.
Die meisten der fünf Millionen Bewohner Rojavas sind Kurden, von denen viele der sozialistischen PYD nahestehen. Die mächtige PYD gilt als Schwesterverband der Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Und die – auch in Deutschland offiziell als Terrororganisation eingestuft – kämpft gegen das türkische Militär. Ein Kampf, der oft an der 700-Kilometer-Grenze zu Rojava ausgetragen wird.
Schon das Schild an der Tür in Reinickendorf – „Vertretung von Rojava in Deutschland“ – provoziert. Die Biografie des Gesandten ist zudem so etwas wie der Gegenentwurf zum Präsidenten Erdogan. Hasan ist kurdisch, parteilos, eher prowestlich. In Syrien hat er nach dem Pharmaziestudium promoviert, arbeitete dann bis zum Krieg als Apotheker. In seiner Heimat Hasaka schloss sich Hasan 2012 mit Christen und Jesiden, Sozialisten und Konservativen, Arabern und Turkmenen der Bewegung für ein souveränes Rojava an. Aus Angst vor Attentätern floh Hasan zwei Jahre später nach Berlin.
In seinem Büro hängt eine Karte. Darauf Rojava in sattem Grün. Die Farbe der Hoffung für das eingeklemmte Land zwischen Erdogan, Assad und dem IS.
Die Bundesregierung erkennt Hasan nicht als Botschafter an. Völkerrechtlich gesehen vertritt er keinen Staat, sondern eine Region. Trotzdem beschäftigt er das Bundeskanzleramt. Wenn Angela Merkel mit Erdogan über den Flüchtlingsdeal und den Einfluss der Exiltürken streitet, mit Russen und Amerikanern über Assad, muss die Kanzlerin dabei immer auch Rojava im Blick behalten.
Viele Kurden unterstützten Erdogan einst, weil er mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan verhandelte. Als die Kurden begannen, Rojava eigenständig zu verwalten, brach Erdogan die Verhandlungen ab. Noch kurz vor dem Giftgaseinsatz bei Idlib vor zwei Wochen erwog man in Ankara sogar, Assad doch als syrischen Staatschef anzuerkennen, wenn der Rojava nur wieder von Damaskus aus regieren würde.

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