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Österreich sucht den politischen Superstar

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In Österreich verändert sich die politische Landschaft: Die Parteien verlieren an Zugkraft, das politische Marketing hält Einzug.
Im scheinbar politisch ruhigen Österreich brechen derzeit alle vertrauten Strukturen auf. Die Koalition zwischen ÖVP und SPÖ ist geplatzt. Am 15. Oktober finden ein Jahr vor Ablauf der aktuellen Legislaturperiode Neuwahlen statt. Der banale Auslöser ist der Umstand, dass den traditionellen Parteien die Wähler davon laufen. Die ebenso banale Reaktion lautet: Suchen wir Kandidaten, die im Publikum gut ankommen. Die tatsächlichen Ursachen der Krise werden wenig beachtet, Lösungen nicht einmal diskutiert.
Die ÖVP kandidiert nicht mehr als ÖVP und setzt auf einen Jungstar
Ausgelöst wurde die aktuelle Krise durch die Österreichische Volkspartei, ÖVP, dem Gegenstück von CDU/CSU in Österreich. Die ÖVP hat nicht nur die Regierung gesprengt, sondern auch sich selbst in einem Gewaltakt neu definiert. Bei den kommenden Wahlen wird die Partei erstmals seit ihrer Gründung vor 72 Jahren nicht mehr als ÖVP kandidieren, sondern als „Liste Sebastian Kurz, die neue Volkspartei.“
Die Partei setzt in einer Art Vabanque-Spiel alles auf die Karte Sebastian Kurz. Der amtierende Außenminister ist erst 30 Jahre alt. Seine bisherige Karriere verlief ausschließlich innerhalb der Partei: Nach dem Abitur begann Kurz ein Jus-Studium, das bis heute nicht abgeschlossen ist, mit 22 wurde er Obmann der Jungen ÖVP in Wien, mit 23 Bundesobmann der Jungen ÖVP, mit 25 Integrations-Staatssekretär und mit 27 Außenminister, wobei er die Zuständigkeit für Integrationsfragen behielt.
Programmatische Aussagen gibt es kaum. Nur in der Flüchtlingsfrage hat Kurz sich als scharfer Gegner der Zuwanderung positioniert. Die Schließung der Balkan-Route ist mit auf sein Betreiben erfolgt. Zudem kritisiert er die NGOs, die den Flüchtlingen im Mittelmeer helfen: „Der NGO-Wahnsinn muss beendet werden!“ Diese Haltung ist zwar für einen Integrations-Minister erstaunlich, hat aber bewirkt, dass nicht mehr, wie lange Zeit, die oppositionelle FPÖ das Ausländer-Thema allein beherrscht.
Umfragen für One-Man-Show
Die ÖVP machte gleichsam über Nacht Sebastian Kurz zum Partei-Obmann und Spitzenkandidaten. Vorweg wurde der bisherige Obmann, Reinhold Mitterlehner, mit einem Feuerwerk an Intrigen, vor allem aus den Bundesländern, angeschwärzt, bis dieser entnervt seinen Rückzug aus der Politik erklärte. Ein Schicksal, das auch seinen Vorgänger, Michael Spindelegger, 2013 ereilte.
Woher kommt nun die Begeisterung für Sebastian Kurz? Das Geheimnis liegt in den Umfragen der vergangenen Monate: Kurz kommt in der Bevölkerung gut an und hat die anderen Spitzenpolitiker überflügelt. Nun hoffen die Spitzen der Volkspartei, dass bei Neuwahlen Kurz vorne liegen wird und die Position des Bundeskanzlers erobern kann, der derzeit von der SPÖ gestellt wird.
Kurz nützte die Situation und erklärte, die Aufgabe nur zu übernehmen, wenn er bei der Besetzung künftiger Minister-Positionen, bei der Auswahl der Kandidaten für die Wahl und in anderen wichtigen Fragen allein entscheiden könne. Dies wurde akzeptiert und nun präsentiert sich die ÖVP als Führer-Partei. Es ist verfrüht zu fragen, wie die ÖVP reagieren wird, wenn Kurz die Erwartungen nicht erfüllen kann.
Die SPÖ installierte schon vor einem Jahr einen Polit-Star
Ähnlich, wenn auch nicht so dramatisch, hat die SPÖ genau vor einem Jahr agiert: Damals wurde Werner Faymann, Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender, ebenfalls durch Intrigen, ebenfalls vorwiegend aus den Bundesländern, so lange attackiert, bis auch dieser alle politischen Ämter aufgab. Auf den Thron gehoben wurde Christian Kern. Auch Kern konnte mit guten Umfragen punkten, wurde aber nun von Kurz überflügelt. In dem einen Jahr als Bundeskanzler hat der Anfangs-Glanz etwas gelitten. Pointe am Rande: Für die Zeit bis zu den Wahlen im Oktober sollte traditionsgemäß der neue ÖVP-Obmann Kurz die Position des Vizekanzlers übernehmen. Kurz hat sich geweigert, weil er sein unbeflecktes Image nicht gefährden möchte.
Die SPÖ hat weder ihren Namen aufgegeben, noch Christian Kern mit einer Generalvollmacht ausgestattet. Eine Korrektur ist allerdings erfolgt: Die SPÖ hat ihre Ausländerpolitik geändert. Die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen wurde zurückgenommen, nun stehen auch die Sozialdemokraten auf der Bremse.
In der Bevölkerung werden die beiden Kontrahenten ähnlich erlebt: Zwei Pop-Stars der Politik buhlen um die Gunst der Fans.
Die Strategen der ÖVP wie der SPÖ hoffen mit den neuen Stars die am rechten Rand des politischen Spektrums angesiedelte FPÖ unter Heinz-Christian Strache zu bremsen. ÖVP und SPÖ mussten bei der letzten Wahl zur Kenntnis nehmen, dass sie gemeinsam nur knapp über 50 Prozent der Stimmen bekamen, wogegen sie in der Vergangenheit lange jede allein 40 und mehr Prozent hatten.

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