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Große Koalition: Verhandler wollen heute Einigung über Familiennachzug

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Die Koalitionsgespräche stockten bisher wegen der Flüchtlingspolitik. Vor der entscheidenden Runde deutete die Union Kompromissbereitschaft an.
Die SPD ist optimistisch, dass sie sich bei den Verhandlungen um eine neue schwarz-rote Koalition mit der Union schnell auf einen Kompromiss beim Familiennachzug einigen kann. « Wir sind in einer
Endabstimmungsphase, was diesen Punkt betrifft », sagte die rheinland-pfälzische
Ministerpräsidentin und stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer im Deutschlandfunk. Zwar habe es bei den Verhandlungen innerhalb der Arbeitsgruppe Migration Schwierigkeiten gegeben. « Es gibt den Willen, dass
man da heute auch tatsächlich zu einer Einigung kommt », sagte Dreyer.
In der Nacht zu Montag hatten CDU, CSU und SPD die Verhandlungen über eine neue Koalition auch wegen des Streits um den Familiennachzug abgebrochen und auf diesen Montag vertagt. « Es wird intensiv gearbeitet und auch hart um Lösungen gerungen », sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, nach dem Ende der neunstündigen Beratungen in der CDU-Zentrale. « Es quietscht », hieß es aus SPD-Kreisen. Andere Teilnehmer sprachen von einer « erhitzten » Debatte. Grosse-Brömer betonte, dass alle drei Parteien den festen Willen hätten, Lösungen zu finden.
Dies unterstrich auch SPD-Generalsekretär
Lars Klingbeil. « Wir wollen da
noch was erreichen, wir sind auch zuversichtlich, dass das mit der Union
geht, aber einen Durchbruch gibt es in der Tat noch nicht », sagte er im ZDF- Morgenmagazin und kündigte an, seine Partei werde in dieser Woche « knallhart » mit der
Union diskutieren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Forderungen der SPD, mit denen die Partei über die Sondierungsvereinbarung hinaus gehen will: neu hinzukommen sollen eine Einschränkung sachgrundloser Jobbefristungen, ein
Einstieg in das Ende der « Zweiklassenmedizin » und eine weitergehende
Härtefallregelung für den Familiennachzug von Flüchtlingen.
Gerade in diesem Punkt stehen die Parteien unter Zeitdruck, da die jetzige Regelung, wonach der Nachzug enger Angehöriger
von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus ausgesetzt ist, Mitte März ausläuft. Am kommenden Donnerstag will der Bundestag über eine
Verlängerung entscheiden. In den Sondierungen hatten sich Union
und SPD darauf verständigt, den Familiennachzug künftig auf 1.000
Menschen pro Monat zu beschränken. Die SPD fordert aber jetzt eine
weitergehende Härtefallregelung, was CDU und CSU aber schon vor Aufnahme der Koalitionsverhandlungen abgelehnt hatte.
Offenbar gibt es aber doch noch Möglichkeiten zu einer Nachbesserung, wie auch der Verhandlungsführer der Arbeitsgruppe Migration, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, andeutete. Es gebe bereits eine gesetzlich festgelegte Härtefallregelung, sagte der CDU-Politiker ebenfalls im Morgenmagazin. Wenn nun gesagt werde, diese sei nicht ausreichend, müsse
darüber geredet werden.
Die Zielmarke bei der Aufnahme von nicht mehr als 220.000 Flüchtlingen insgesamt sei aber nicht mehr zu ändern: « Die Größenordnung, die wir gefunden haben, ist vernünftig. Die haben wir gemeinsam begründet, dabei muss es bleiben », sagte Bouffier und sieht sich damit einig mit CSU-Unterhändler Joachim Herrmann. Bemerkenswert ist, dass der bayerische Innenminister die SPD in der Passauer Neuen Presse aufforderte, « einen Vorschlag zu machen, wie sie sich die konkrete Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug vorstellt ». Dies könnte ein Signal an die SPD sein, dass bei den Härtefallregelungen doch noch Spielraum ist.
Insgesamt sollen alle Arbeitsgruppen bis zum kommenden Freitag ihre Ergebnisse vorlegen. Am darauffolgenden Wochenende sollen dann die Ergebnisse durch die Parteiführungen bewilligt werden. Sollte diese kurze Frist nicht ausreichen, sind zwei weitere Tage eingeplant. Am Ende steht dann das Votum der SPD-Mitglieder, die in einer Befragung über den Koalitionsvertrag entscheiden – und damit auch über die Zukunft von SPD-Chef Martin Schulz. Vor allem von der Parteilinken war er wiederholt aufgefordert worden, auf einen Ministerposten unter einer Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verzichten. Diesen Druck wies Schulz von sich: Die Mitglieder würden entscheiden, ob die SPD in eine Koalition eintreten darf. « Und dann weiß man, wer in die Regierung gehen kann », sagte er in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin .
CDU und CSU sind sich einig: Künftig sollen höchstens 200.000 Menschen im Jahr über den Weg der « humanitären Zuwanderung » nach Deutschland kommen dürfen. Allerdings: Das Asylrecht für politisch Verfolgte und die Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention sollen nicht angetastet werden. Jeder, der als Flüchtling nach Deutschland kommt, soll hier auch künftig einen Asylantrag stellen können. Dass die Zahl von 200.000 trotzdem ungefähr eingehalten wird, soll nicht durch Zurückweisungen an der Grenze, sondern durch andere Maßnahmen – auch Einschränkungen beim Familiennachzug – gesichert werden.
Die SPD hat eine Obergrenze für Flüchtlinge stets abgelehnt. Allerdings bezog sie sich dabei immer darauf, dass das deutsche Grundrecht auf Asyl nicht eingeschränkt werden dürfe. Wenn die SPD den Unionsvorschlag akzeptierte, würde sie von ihrer Maxime abrücken, den Familiennachzug wieder zu ermöglichen.
Für Bürgerkriegsflüchtlinge, die nur den eingeschränkten subsidiären Schutz erhalten, ist der Familiennachzug bis Mitte März 2018 ausgesetzt. In der Sondierung einigte man sich darauf, 1.000 Angehörigen pro Monat den Nachzug zu ermöglichen, den Familiennachzug also nicht komplett weiter auszusetzen, ihn aber auch nicht wie zuvor zu ermöglichen. Damit soll der Anreiz geschwächt werden, dass Familien ihre Kinder vorschicken, die dann die Eltern nachholen dürfen. Gefährder und Schwerkriminelle sollen ausgeschlossen sein.
Bis die angestrebte Koalition ein solches Gesetz beschlossen hat, soll die bisherige Regelung verlängert werden. Angestrebt ist dies bis Ende Juli 2018. In den Koalitionsverhandlungen strebt die SPD eine Härtefallregelung an, um mehr durchzusetzen als in den Sondierungsgesprächen.
Doch anders als oft dargestellt, gibt es bereits eine Regelung für Härtefälle: Das Auswärtige Amt kann nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes Visa an Familienangehörige von Flüchtlingen vergeben.

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