Die türkische Regierung will die Beziehungen zu Deutschland normalisieren. Der größte Stolperstein: Der Fall Deniz Yücel. Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.
Seit Ende Oktober hatten türkische Gerichte bei mehreren Deutschen ein Ende der Untersuchungshaft oder ein Aufheben der Ausreisesperre angeordnet. Die Entscheidungen waren in Berlin als Zeichen der Entspannung aufgenommen worden. Am Samstag wird Cavusoglu bei Gabriel in dessen Heimatort Goslar erwartet. Der Fall Yücel ist der größte Streitpunkt in den bilateralen Beziehungen. Cavusoglu hatte sich kürzlich zuversichtlich gezeigt, dass sich das Verhältnis nach der schweren Krise im vergangenen Jahr wieder normalisiert. Aus Sicht der Bundesregierung ist das ausgeschlossen, solange Yücel ohne Anklage in U-Haft sitzt.
Weil trotz der seit Februar andauernden Untersuchungshaft immer noch keine Anklageschrift gegen Yücel vorliegt, ist der Beginn eines Prozesses nicht absehbar. Ende März hatte Yücel Beschwerde beim Verfassungsgericht in Ankara gegen die U-Haft eingelegt, Anfang April beim EGMR in Straßburg. Dort hatte die türkische Regierung ihre Stellungnahme im November eingereicht und darauf verwiesen, dass der Rechtsweg in der Türkei noch nicht ausgeschöpft sei.
Die Türkei hat den Schuldspruch gegen den türkischen Banker Hakan Atilla wegen Verstoßes gegen US-Sanktionen scharf verurteilt. Die in New York gefällte Entscheidung sei eine « ungerechte und unglückliche Entwicklung », erklärte das Außenministerium in Ankara am Donnerstag. « Unser größter Wunsch ist, dass dieses Urteil, das in dieser Form zu einer Rechtsschande geworden ist, korrigiert wird. »
Das Außenministerium bezichtigte die US-Anklage, sich auf « gefälschte Beweise » gestützt zu haben, die man politisch missbrauchen könne. Anhänger des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen hätten das Gerichtsverfahren zudem beeinflusst. Die Türkei sieht Gülen als Drahtzieher des Putschversuchs vom Juli 2016 und fordert von den USA die Auslieferung des Predigers.
Die Halkbank betonte am Donnerstag in einer Erklärung, die Bank selbst sei nicht Teil des New Yorker Prozesses und es sei auch kein Urteil gegen die Bank verhängt worden. Die Halkbank halte sich an alle nationalen und internationalen Regelungen und setze auch weiter auf « Transparenz ».
Im Prozess hatte eigentlich der türkisch-iranische Goldhändler Reza Zarrab auf der Anklagebank sitzen sollen. Er bekannte sich dann aber überraschend für schuldig und trat als Belastungszeuge auf. Im Verfahren sagte er aus, dass der türkische Präsident und damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den illegalen Geschäften 2012 zustimmte, an denen demnach auch zwei weitere türkische Banken beteiligt waren. Über sieben Tage beschrieb Zarrab Medienberichten zufolge, wie Attila dem Iran half, entgegen bestehender Sanktionen Öl-Geschäfte in Milliardenhöhe abzuwickeln.
Der Prozess hat das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei verschlechtert, das im Streit um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen ohnehin belastet ist. Erdogan macht ihn für den Putschversuch im Juli 2016 in der Türkei verantwortlich, die USA verweigern unterdessen seine Auslieferung. Erdogan bestreitet, gegen Sanktionen verstoßen zu haben. Die türkische Justiz ordnete zudem an, Zarrabs Vermögen beschlagnahmen lassen.
Richter Richard Berman hatte am Dienstag einen Antrag von Atillas Verteidigern abgewiesen, den Prozess wegen Verfahrensfehlern für ungültig zu erklären. Hintergrund war eine unzulässige Frage an Atilla, die dieser aber nicht beantworten musste. Atilla habe ein « faires und transparentes Verfahren » bekommen, schrieb Berman zur Begründung. « Er hat ein sehr professionelles Verteidigungs-Team aus mehr als acht Anwälten », die « wachsam und aggressiv » seien. Atilla habe seine « hohe Position bei einer türkischen Bank genutzt, um die Transaktionen als humanitäre Lebensmittellieferungen zu tarnen », sagte Staatsanwältin Dana Boente. Staatsanwalt Joon Kim lobte den « vollständigen, fairen und offenen Prozess » und sagte, das « massive und dreiste System riss ein Milliarden-Dollar-Loch in die Sanktionsregelung gegen den Iran ».
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu reist am Samstag zu Außenminister Sigmar Gabriel nach Goslar. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin bestätigte zwar, dass ein Gegenbesuch Cavusoglus in Goslar geplant sei. Den genauen Termin wollte das Auswärtige Amt aber nicht nennen. Gabriel war am 4. November zu einem informellen Treffen mit Cavusoglu in dessen Wahlkreis im südtürkischen Antalya gereist, wobei sie eine Fortsetzung der Gespräche vereinbart hatten.
Es gehe darum, « in solchen Zeiten erstmal überhaupt wieder in vernünftige Gespräche zu kommen », sagte Gabriel damals. Die deutsch-türkischen Beziehungen waren 2017 auf einen historischen Tiefpunkt gesunken und Gabriel und Cavusoglu hatten sich heftige Wortgefechte geliefert. Zuletzt deutete sich aber ein Kurswechsel des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an.
So äußerte Erdogan jüngst die Hoffnung, die Beziehungen mit den EU-Staaten zu verbessern. « Wir haben keine Probleme mit Deutschland, den Niederlanden oder Belgien », versicherte er, nachdem er den drei Staaten im Streit um Wahlkampfauftritte « Nazi-Methoden » vorgeworfen hatte. Am Freitag will er zudem zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach Paris reisen.
Das Verhältnis der Türkei zur EU und Deutschland war vor allem durch das harte Vorgehen Erdogans nach dem gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 belastet worden. Zehntausende wurden inhaftiert oder vom Staatsdienst suspendiert, darunter kritische Journalisten und Oppositionelle. Auch eine Verfassungsreform, mit der Erdogans Macht weiter gestärkt wurde, stieß in der EU auf Kritik.
Zudem belastet die Inhaftierung mehrerer Deutscher das Verhältnis, allerdings deutete sich in dieser Frage zuletzt eine Entspannung an. So kamen seit Oktober der Menschenrechtler Peter Steudtner, die Journalistin Mesale Tolu und der Pilger David Britsch frei. Vergangene Woche wurde zudem ein weiterer Deutscher mit türkischen Wurzeln freigelassen.
Die Türkei wirft ihrerseits Berlin vor, Mitgliedern der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen Zuflucht zu gewähren, die sie für den Putschversuch verantwortlich macht. Zudem beschuldigt sie Deutschland, nicht hart genug gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorzugehen, die in Deutschland über ein großes Unterstützernetzwerk verfügt.
Die Unruhen im Iran weiten sich aus. Bei den Protesten gab es nach Angaben des staatlichen Fernsehens Irib weitere neun Tote, darunter erstmals ein Revolutionswächter. Die Revolutionswächter sind Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden, einer paramilitärischen Organisation zum Schutz des Systems.
Präsident Hassan Ruhani räumte ein, dass die Regierung die Lage nicht mehr völlig kontrolliere. Die USA und Israel unterstützten die Proteste und äußerten ihre Hoffnung auf einen politischen Umsturz in Teheran. Die EU, Großbritannien und Deutschland appellierten an die Regierung des Irans, eine öffentliche Debatte zuzulassen.
Die Türkei hat sich besorgt über die Eskalation der gewaltsamen Proteste im Nachbarland Iran gezeigt und zugleich vor einer Einmischung durch ausländische Kräfte gewarnt. Syrien hat die Proteste im Iran als Verschwörung der USA und Israels kritisiert. Der Iran zählt im syrischen Bürgerkrieg zu den wichtigsten Verbündeten der Regierung.
Der führende CSU-Europapolitiker Manfred Weber fordert nach den jüngsten Entspannungssignalen des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu konkrete Schritte.
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Deutschland — in German Vor Cavusoglu-Besuch bei Gabriel: Kommt Deniz Yücel bald frei?