Nur eine Singsang-Party? Ein freies Leben gilt vielen immer noch als anstößig. Homophobie und Antisemitismus werfen ihre Schatten auf den Eurovision Song Contest.
Zu den großen Rätseln der Menschheitsgeschichte zählt immer noch die Frage, warum weite Teile der Weltbevölkerung es nicht ertragen können, dass manche Männer lieben und manche Frauen Frauen. Die Realität der Homophobie wird uns täglich vor Augen geführt; aber das ändert nichts daran, dass sie unerträglich und stets zu bekämpfen bleibt, egal mit welcher politischen Ideologie sie sich tarnt.
Nun findet in Lissabon das Finale des diesjährigen Eurovision Song Contest statt. Zu den Teilnehmern des Wettbewerbs gehört der irische Songwriter Ryan O’Shaughnessy, der sich in seinem Beitrag Together mit weinerlichem Falsett einer scheiternden Liebe zwischen zwei Menschen widmet, die « wie Eisberge auf dem Ozean voneinander fort treiben ». Während der Darbietung seines Liedes beim ersten Halbfinale am Dienstag liefen zur visuellen Verdeutlichung dieser Botschaft zwei Männer über eine Brücke und hielten sich dabei an den Händen – ein Anblick, der offensichtlich derart frappant gegen die Moralvorstellungen in China verstößt, dass er aus der Übertragung der Show im dortigen staatlichen Streamingdienst Mango TV herausgeschnitten wurde. Komplett zensiert wurde der Beitrag des albanischen Sängers Eugent Bushpepa – dieser ist nämlich, ebenso wie seine Mitmusiker, tätowiert. Und Tätowierungen gelten in China neuerdings als Symbole der subkulturellen Abweichung von der gesellschaftlichen Norm und dürfen deswegen im Fernsehen ebenso wenig gezeigt werden wie händchenhaltende Männer. Die European Broadcasting Union hat als Reaktion auf die Zensur die Zusammenarbeit mit Mango TV beendet, das Finale des Wettbewerbs wird in China nun gar nicht ausgestrahlt.
Was entgeht den Chinesen? 26 Künstlerinnen und Künstler treten am Samstagabend in Lissabon auf einer nach Auskunft der Organisatoren « maritim » gestalteten Bühne gegeneinander an. Unter den Kandidaten findet sich eine grimmige Wikingertruppe aus Dänemark ebenso wie eine estnische Walkürensopranistin mit einem kilimandscharogroßen Kleid und eine zypriotische Halbnackttänzerin mit viel Autotune auf der R’n’B-Stimme.