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Probleme des deutschen Parteiensystems

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Minderheiten werden zu Mehrheiten, Parteien verlieren die Kontrolle: Die Probleme der US-Demokratie sind offensichtlich. Doch die deutsche Politik nimmt sich daran eher ein Beispiel, als sich zu distanzieren.
Am Ende dieser aufreibenden Woche, in der Joe Biden nach Tagen der Unsicherheit, des Auszählens und der Attacken von Donald Trump die US-Präsidentschaft für sich entscheiden konnte, ist offensichtlich: Amerikas Demokratie hat ein strukturelles Problem. Und mehr. So einhellig diese Probleme üblicherweise in der deutschen Öffentlichkeit beschrieben werden, so zurückhaltend ist die deutsche Politik darin, daraus Schlüsse zu ziehen. Das Entsetzen über die Defizite des politischen Systems der USA führt gerade nicht dazu, dass man hierzulande auf Distanz geht. Im Gegenteil: Manches von dem, was die US-Demokratie an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat, wird in Deutschland sogar übernommen oder aber zumindest mit wohlwollendem Interesse diskutiert. Dabei geht es zum einen um die Art des Wahlrechts, zum anderen um die Parteien, genauer: um deren Wächterfunktion. Das Wahlrecht: Nicht jede Stimme zählt gleich viel Es stand vor dieser Präsidentschaftswahl kaum in Frage, dass Joe Biden am Ende mehr Stimmen haben würde als Donald Trump. Die Frage war nur: Reicht das? Trump hätte ein zweites Mal Präsident werden können, ohne landesweit die Mehrheit der Stimmen gewonnen zu haben. Denn in den USA, wie in jedem Mehrheitswahlsystem, zählt nicht jede Stimme gleich viel. Eine Stimmenmehrheit übersetzt sich nicht unbedingt in eine Mehrheit im entscheidenden Electoral College, dem Wahlleute-Gremium, das am Ende formal den Präsidenten wählt. Lange war das kein großes Problem, nun aber wird es immer offenkundiger eines – weil die Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse längst die Regel und systematisch ist. Die Demokraten brauchen wegen der geographischen Verteilung ihrer Wähler und der Zuschnitte der Stimmbezirke stets einen überdeutlichen Sieg, um Chancen auf das Weiße Haus zu haben. Geht es um den Senat, sieht es eher noch schlimmer aus. Damit verkehrt sich die oft als Vorzug genannte Eigenschaft von Mehrheitswahlsystemen ins Gegenteil: dass sie wenigstens klare Verhältnisse und eine eindeutige Machtalternative schafften. Doch die Verhältnisse sind nicht klar und die Machtalternative verschwindet, wenn eine Partei selbst mit einem viel besseren Ergebnis nicht an die Macht kommt. Diese Schwäche wird jetzt erst extrem sichtbar, aber sie ist grundsätzlich im Mehrheitswahlrecht angelegt. Das deutsche Wahlsystem sieht eine personalisierte Verhältniswahl vor, die Gleichheit aller Stimmen betont. In der Diskussion um eine Wahlrechtsreform, die verhindern soll, dass der Bundestag immer größer wird, wurden zuletzt allerdings auch andere Wahlverfahren diskutiert.

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