Mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase wird der EU-Austritt Grossbritanniens trotz einer Einigung auf ein Abkommen spürbare Folgen haben. Was sind die praktischen Auswirkungen in besonders wichtigen Bereichen?
Mit dem Ende der Brexit-Übergangsphase wird der EU-Austritt Grossbritanniens trotz einer Einigung auf ein Abkommen spürbare Folgen haben. Was sind die praktischen Auswirkungen in besonders wichtigen Bereichen? Unter anderem im Kanalhafen von Dover werden Warenkontrollen eingeführt. Welche Grenzkontrollen werden jetzt nötig? Auch wenn das Handelsabkommen Zölle und Kontingente überflüssig macht, wird es keinen reibungslosen Handelsaustausch an der neuen EU-Aussengrenze geben. Da in Grossbritannien nach dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt nicht mehr automatisch die Produktionsregeln und Standards der EU gelten und die Waren daher auf ihre Herkunft überprüft werden müssen, fallen beim Güterexport und -import über den Ärmelkanal Kontrollen an. Fernziel auf britischer Seite ist es, eine «smart border» zu schaffen, an der die nötigen Kontrollen möglichst digital und ohne lange Wartezeiten durchgeführt werden können. Doch dies ist momentan noch Zukunftsmusik. Der Handelsaustausch wird mit dem Brexit auf jeden Fall schwieriger. Wird es deswegen zu Staus an der Kanalküste kommen? Weil Kontrollen nötig sind, werden die Lastwagen mit Importen am Kanaltunnel oder in den Kanalhäfen aufgehalten und können nicht einfach wie bis anhin weiterfahren. Die Fahrer müssen ausserdem die korrekten Papiere bereithalten, was vor allem zu Beginn nicht gesichert ist. Zwar wollen die britischen Behörden am Anfang pragmatisch sein und haben die Anforderungen gelockert – aber auf französischer Seite kann auch aus rechtlichen Gründen nicht mit Nachsicht gerechnet werden. Es droht ein Stau auf den Strassen der südenglischen Grafschaft Kent, wenn die Lastwagen nicht ausreichend schnell übersetzen können. Pessimisten rechnen mit einer Schlange von Tausenden von Fahrzeugen in den ersten Tagen und Wochen. Eine solche Verstopfung des Strassennetzes will die britische Regierung mit einer regionalen Eintrittsregulierung für Lastwagen auf dem Weg nach Kent und zusätzlichen Parkräumen abmildern. Falls dies nicht gelingt, droht eine empfindliche Verzögerung von Lieferungen im Handel mit dem Kontinent. Wie ist der Stand der Vorbereitungen? In Grossbritannien haben Regierung, Verwaltung und Wirtschaft viel Aufwand betrieben, um auf die Lage nach der Brexit-Übergangsphase vorbereitet zu sein. Dennoch ist es sehr fraglich, ob dies gerade am Anfang ausreicht. Nach fast dreissig Jahren Zugehörigkeit zum EU-Binnenmarkt ändern sich über Nacht die Ausfuhrregeln für alle Produkte. Ob die neu entwickelten IT-Systeme der Herausforderung gewachsen sind und ob alle Firmen wissen, was zu tun ist, ist offen. Die Software wurde erst spät entwickelt, und manche Zolldetails wurden erst spät geklärt. Ob die verkehrstechnischen Vorkehrungen wie der zusätzliche Parkraum für Lastwagen ausreichen werden, ist ebenfalls unsicher. Bei der Vorbereitung für die Zeit nach dem Brexit sieht sich die Regierung von Boris Johnson auch in einem Dilemma: Sie neigt im Allgemeinen dazu, die wirtschaftlich schwierigen Folgen des Brexits kleinzureden, während sie die Unternehmen dazu auffordern muss, sich auf grössere Veränderungen einzustellen. Dies war für die entsprechenden Anstrengungen nicht eben förderlich.