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Amerika: Verwundet, verstört – und abgelenkt

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Der Anschlag vom 11. September schadete den USA mehr, als die Terroristen vor 20 Jahren ahnen konnten. Die Amerikaner verloren – vor allem psychologisch und intellektuell – ihre innere Sicherheit. Und sie verzettelten sich in einem „Krieg gegen den Terror“ – der am Ende nur China und Russland geholfen hat.
Am 11. September 2001 ist nicht nur das World Trade Center in sich zusammengesunken. Getroffen von dem Anschlag wurde auch etwas anderes, nicht Sichtbares. Die innere Sicherheit der Amerikaner war plötzlich weg. Nicht innere Sicherheit im polizeilichen Sinn oder als politisches Schlagwort – sondern innere Sicherheit als psychologisches und intellektuelles Gütezeichen einer Gesellschaft. Ihre Unerschütterlichkeit hat die Amerikaner immer ausgezeichnet. Sie konnten verblüffend idealistisch sein und naiv und auch beides gleichzeitig, stets im Glauben, das Gute werde sich schon irgendwie durchsetzen. In der Ära des Vietnam-Kriegs lieferte Amerika beides: Napalm und Woodstock, Militäreinsätze und auch den Protest dagegen. Ja, Amerika machte oft Fehler. Es korrigierte sich aber auch oft. Stets, auch in den 180-Grad-Kurven, behielten die Amerikaner das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben in ihrem Land. Bis zum 11. September 2001. An diesem Tag hat Amerika einen Knacks bekommen. Wie nie zuvor wurde der Glaube der modernen amerikanischen Gesellschaft an sich selbst erschüttert: an ihre Normalität, ihre Stabilität, ihre Wehrhaftigkeit. Erloschen, wie ein zerschlagenes Neonwerbeschild, war plötzlich Amerikas zuvor stets strahlende Botschaft vom „Weiter so“. Das gab nur keiner zu. Denn es musste ja auch erst mal alles weitergehen. Präsident George W. Bush, von Europa aus oft kritisiert, machte vieles richtig in den allerersten Tagen nach dem Anschlag. Vor allem behielt der Präsident die Nerven. Trotzig betonte Bush das Funktionieren staatlicher Strukturen, die Einsatzbereitschaft von Polizei und Armee und last but not least auch die Stabilität der Finanzmärkte. Das alles half den USA und der ganzen Welt. Bush besuchte eine Moschee, um einer antiislamischen Aufwallung die Spitze zu nehmen. Osama bin Laden hatte sich das alles etwas anders vorgestellt. Die Terroristen von Al Kaida hatten davon geträumt, ihrem Feind USA einen „Enthauptungsschlag“ zu versetzen, mit kollabierenden Märkten, einem brennenden Pentagon und möglichst noch einem schmelzenden Atomreaktor. Nichts davon ist passiert. Zwar starben 2996 Menschen, doch der gesamte kurzfristig entstandene Schaden blieb, obwohl er bereits gigantisch war, hinter den Kalkulationen der Terroristen zurück. Heute,20 Jahre später, wird jedoch klar: Der langfristige Schaden für die USA ist inzwischen größer, als die Terrorplaner es erwarten konnten.

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