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Krieg um Taiwan? Zehn Fragen und Antworten

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Taiwan wird immer mehr zum Schauplatz einer weltpolitischen Machtprobe zwischen China und den USA. Sind die jüngsten Drohungen und Gegendrohungen nur Säbelrasseln – oder wächst inzwischen die reale Kriegsgefahr? Zehn Fragen und Antworten zur angespannten Lage im Südchinesischen Meer.
Taipeh. Bislang ist alles nur ein Nervenkrieg. Doch auch der fordert schon Kraft. „Jeden Tag“, sagte Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in dieser Woche auf CNN, „nimmt die Bedrohung Taiwans durch China zu.“ Die 65-Jährige ist nicht der weinerliche Typ. Die Juristin, unverheiratet und kinderlos, gibt selten Interviews. Die erstmals im Jahr 2016 gewählte Präsidentin gilt als cool und rational, nicht nur in Taiwan wird sie als „Asiens Angela Merkel“ beschrieben. Inzwischen aber wird auch Tsai Ing-wen nervös. Denn in den vergangenen Wochen ließ Chinas Präsident Xi Jinping derart martialische Luft- und Seemanöver durchführen, dass aus taiwanischer Sicht in manchen Momenten schon nicht mehr erkennbar war, ob es sich noch um eine Übung handelt – oder bereits um den Beginn des seit Jahrzehnten befürchteten Großangriffs auf die Insel. Bereits im August dieses Jahres äußerte Taiwans Außenminister Joseph Wu in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland die Sorge, die Lage könne „unberechenbar und gefährlich“ werden, wenn innerhalb Chinas gravierende Probleme auftauchten: „Das Regime könnte, wenn es unter Druck gerät, einen Angriff beschließen“. Dies sei ein Klassiker: Ablenkung der Aufmerksamkeit des Publikums auf einen äußeren Feind. Hat inzwischen, mit der Evergrande-Krise und weiteren Zeichen ökonomischer Schwächen in China, die von Wu beschriebene kritische Phase schon begonnen? Da in einer Taiwan-Krise auch eine militärische Kollision zwischen China und den USA droht, geht es tatsächlich um den für die gesamte Welt gefährlichsten Konflikt der Gegenwart. Die folgenden zehn Fragen und Antworten sollen helfen, ihn zu verstehen. Bereits seit Jahrzehnten droht China mit einer militärischen Invasion der Insel. Daran sind Taiwan und der Rest der Welt gewöhnt. Denn der Schwebezustand dauert schon seit 1949 an. Peking sieht die Sache so: Taiwan hat sich nach dem chinesischen Bürgerkrieg vom Rest Chinas abgespalten. Die Insel ist eine „abtrünnige Republik“, die man früher oder später wieder eingliedern wird. Ziel sei, betont Chinas Staatschef Xi, „die Vollendung der staatlichen Einheit“. Insoweit kann man Parallelen zur deutschen Geschichte sehen. Allerdings schließt Xi die Anwendung militärischer Gewalt zum Zweck dieser Wiedervereinigung nicht aus, sondern droht ausdrücklich damit. Taiwan hat, ebenfalls seit Jahrzehnten, seinen eigenen Blick auf die Dinge. Das politische Auseinanderfallen von Insel und Festland sei, klarer Fall, eine Folge des Bürgerkriegs. Damals hatten sich die antikommunistischen Truppen auf die Insel zurückgezogen. Ihr Chef, Chiang Kai-Shek, hielt aber bis zu seinem Tod 1975 an einem Machtanspruch auf ganz China fest. Für die heutige Führung in Taiwan folgt daraus die Haltung: Wir können gern mit Peking reden, sogar über eine Wiedervereinigung. Aber eben nur auf Augenhöhe. Keinesfalls werde Taiwan seinen eigenen Weg, seine Freiheit und seine Demokratie aufgeben. Für diese wackere Haltung gegenüber dem Giganten China bekommt das kleine Taiwan derzeit mehr Sympathie als in früheren Jahren: in den USA, in Europa, aber auch quer durch Asien. Jahrzehntelang hatten sich China, Taiwan und der Rest der Welt mit dem Schwebezustand einigermaßen eingerichtet. Peking setzte zwar durch, dass es in internationalen Organisationen allein für China spricht. Auch stellte es den Rest der Welt vor die Wahl, entweder zu Peking oder zu Taipeh offizielle diplomatische Beziehungen zu pflegen. Fast die gesamte Staatenwelt entschied sich seufzend für Peking: Wer 1,4 Milliarden Menschen vertritt, hat nun mal mehr Gewicht als eine Regierung, die nur für 23 Millionen spricht. Doch es blieb friedlich. In Taiwan führte die Verbindung von Freiheit und chinesischem Fleiß zu einem weltweit bestaunten Wirtschaftswunder. Bei den – derzeit gerade extrem begehrten – Halbleitern etwa ist die Firma TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) Weltmarktführer. Betrachtet man Taiwans Kaufkraft und seine Devisenreserven, müsste man es eigentlich zum G-20-Gipfel einladen, es ist eines der wichtigsten Industrieländer auf dem Globus. Sogar auf dem chinesischen Festland gehörte Taiwan bald schon zu den wichtigsten Investoren. Dies ließ zeitweise viele hoffen, der Taiwan-Konflikt werde sich vielleicht im Laufe der Jahrzehnte im Zuge einer wie auch immer gearteten Liberalisierung Chinas in Luft auflösen. Alle Liberalisierungsfantasien mit Blick auf China haben sich mittlerweile erledigt. Zu Zeiten der Präsidenten Jiang Zemin (1993-2003) und Hu Jintao (2003 bis 2013) mochte es dafür noch Anhaltspunkte geben. Xi Jinping jedoch, seit 2013 Chinas Staatschef, ließ nach und nach alle Hoffnungen dieser Art platzen. Für Xi bedeutet Modernisierung die Modernisierung von Massenüberwachung. Er regiert mit wachsender Autorität, setzt dabei sogar immer stärker einen bizarren Personenkult durch und reagiert allergisch auf jede Form von Infragestellung seiner Diktatur: Zu all dem passt, dass China nun auch mit Blick auf Taiwan seine Muskeln spielen lässt wie noch nie. Häufiger als je zuvor drangen in diesem Jahr chinesische Kampfflugzeuge in Taiwans Luftverteidigungszone (Air Defense Identification Zone, ADIZ) ein, ohne sich zu identifizieren. Allein am 4. Oktober dieses Jahres wurden 56 chinesische Maschinen in Taiwans ADIZ registriert, darunter schwere Bomber. Noch nie war ein so großes Geschwader am Nervenkrieg beteiligt.

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