Olaf Scholz hat seinen ersten EU-Gipfel mit einer großen Geste beendet. Der Bundeskanzler und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron demonstrierten Einigkeit, sie drohten Russland mit Sanktionen. Die Weichen dafür werden aber weder in Brüssel noch in Berlin gestellt, sondern viel weiter westlich.
Z um Abschluss wählten sie eine große Geste. Es war der erste EU-Gipfel für Bundeskanzler Olaf Scholz. Nach den Beratungen trat er aber nicht wie sonst üblich alleine vor die Journalisten. Stattdessen setzte er sich gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor die versammelten Reporter im deutschen Presseraum auf der Ebene 20 des Brüsseler Ratsgebäudes. Die Geste unterstrich nicht nur die enge deutsch-französische Partnerschaft, die von den Ampelkoalitionären auch im Koalitionsvertrag besonders betont wird. Der gemeinsame Abschluss folgte auch der inneren Logik der zwei Gipfeltage, die hinter den beiden Spitzenpolitikern lagen: Sie hatten die Sitzungen in Brüssel am Mittwoch auch zu zweit begonnen, bei einem intensiven Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski. Die Situation an den Grenzen der Ukraine war das dominierende Thema beim zweitägigen Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs der EU. Nachdem Russland an seiner Grenze zur Ukraine umfangreiche militärische Infrastruktur aufgebaut hat, warnt die Regierung in Kiew vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine. Wie soll die EU darauf reagieren? Diese Frage konnten auch Scholz und Macron nicht klar beantworten. Am Mittwoch hatten sie und die übrigen 25 Regierungschefs mit den Ländern der östlichen Partnerschaft beraten, einer Gruppe von post-sowjetischen Ländern, die langfristig einen Beitritt zu EU anstreben. Dazu gehören darunter die Ukraine, Georgien und Aserbaidschan. Auf dem Treffen forderte Selenski unter andere präventive Sanktionen gegen Russland. Die Sanktionen blieben auch am Mittwoch Thema, als die EU-Politiker unter sich tagten – beim Russland-Ukraine-Thema übrigens ohne Smartphones und Tablets, um die Vertraulichkeit zu wahren. Auch die große Geste von Scholz und Macron kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU sich schwertut mit einer gemeinsamen Antwort auf die russischen Truppenbewegungen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki beispielsweise forderte von den anderen Gipfelteilnehmern klarere Worte an Russland: Die EU solle deutlich sagen, welche Sanktionen Moskau drohen, wenn es in der Ukraine einmarschieren sollte. Deutschland, Frankreich, die Niederlande und andere EU-Länder wollen solche konkreten Drohungen allerdings vermeiden. In den Hauptstädten geht die Befürchtung um, dass der Kreml auf die Ankündigung konkreter möglicher Sanktionen mit eigenen Drohungen reagieren könnte und dass sich so eine Spirale der gegenseitigen Drohungen in Gang setzen könnte.