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Klima-Flop in Deutschland und USA: Was wäre, wenn Demokratie und Klimaschutz unvereinbar sind?

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Gewählte Regierungsvertreter arbeiten mit Kompromissen. Ein sich erwärmender Planet wartet jedoch auf niemanden.
Demokratisch gewählte Regierungen arbeiten mit Kompromissen. Ein sich erwärmender Planet wartet aber auf niemanden. Ein politisches Problem? Washington, D.C./Berlin – In den vergangenen 14 Monaten gab es Wahlen sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch in Deutschland – und die Klimapolitik rückte in den Mittelpunkt der nationalen Debatten. Die Tatsache, dass sich zwei der fünf größten Volkswirtschaften der Welt dazu verpflichtet haben, die drängendste Krise der Welt durch einen öffentlichen Diskurs und eine anschließende öffentliche Abstimmung zu bewältigen, ist ein beispielloses demokratisches Experiment. Es ist aber nicht so gelaufen, wie Optimisten das gehofft hatten. Einerseits gelobten die siegreichen Parteien in beiden Ländern, das Notwendige zu tun, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. So, wie es das 2015 in Paris einstimmig verabschiedete internationale Klimaabkommen vorsieht. Andererseits lässt sich für keines der beiden Länder sagen, dass die daraus resultierende Politik dieses Versprechen einlöst. Alle großen deutschen Parteien (mit Ausnahme der rechtsextremen Alternative für Deutschland) erklärten, sie würden sich dafür einsetzen, den Klimawandel auf die im Pariser Abkommen festgelegten 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen; die Grünen* behaupteten glaubhaft, dass nur ihr Programm zur Erfüllung dieses Versprechens ausreichende Ideen beinhalte. Doch auch wenn die Grünen den Einzug in die nationale Regierung schafften (sie erreichten bei den Wahlen ein Rekordergebnis von 15 Prozent), fanden nur wenige der politischen Spezifika Eingang in die Regierungsagenda für die nächsten vier Jahre. Die Grünen forderten einen höheren Kohlenstoffpreis*; im Koalitionsvertrag wurde eine solche Erhöhung nicht erwähnt. Die Grünen argumentierten, dass die Beendigung des heimischen Kohleabbaus bis 2030 nicht verhandelbar sei; die Regierung hat es versäumt, diesbezügliche eine feste Zusage zu machen. Die Grünen forderten, dass das Land jährlich 50 Milliarden Euro (56 Milliarden US-Dollar) zusätzlich in die Infrastruktur für erneuerbare Energien investieren müsse; die neue Regierung hat stattdessen einen ausgeglichenen Haushalt versprochen. Ein ähnliches Abgleiten zwischen Wahlkampfambitionen und verwässertem Regieren ist in den Vereinigten Staaten zu beobachten. Der Demokrat Joe Biden* versprach in seinem Wahlprogramm, den Stromsektor des Landes bis 2035 kohlenstofffrei und die gesamte US-Wirtschaft bis 2050 vollständig klimaneutral zu machen – Versprechen, von denen die Regierung Biden nie abgerückt ist. Doch die zentralen Maßnahmen, mit denen diese Fristen erreicht werden sollen, haben keine realistische Chance, den Kongress zu passieren. Die US-Regierung wird nicht annähernd die 2 Billionen US-Dollar erhalten, die laut Biden für die Finanzierung der Infrastruktur für erneuerbare Energien erforderlich wären. Unterdessen hat sich Senator Joe Manchin aus dem kohleproduzierenden Bundesstaat West Virginia geweigert, ein Gesetz zu verabschieden, das die Nutzung fossiler Brennstoffe im Energiesektor ausdrücklich einschränkt, wie es die Biden-Kampagne vorgesehen hatte. Gleichzeitig hat die Biden-Regierung bei den ölproduzierenden OPEC-Ländern des Nahen Ostens offen Lobbyarbeit betrieben, um die Produktion zu erhöhen – in der Hoffnung, den Benzinpreis für die heimischen Autofahrer zu senken. Die Klimaprogramme der gegenwärtigen US-amerikanischen und deutschen Regierungen – von der Nutzung steuerlicher Anreize durch die Regierung Biden zur Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien bis hin zum Versprechen der neuen deutschen Regierung, zwei Prozent der Landesfläche für die Erzeugung von Windenergie zu nutzen – sind nicht aktiv schädigend. Insgesamt werden sie mit ziemlicher Sicherheit die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen in beiden Ländern beschleunigen. Sie sind nach jeder anständigen Berechnung jedoch nicht ausreichend, um den Klimawandel innerhalb des Zeitrahmens zu bewältigen, den das Pariser Abkommen mit seiner 1,5-Grad-Verpflichtung vorgibt. Das bedeutete eine 50-prozentige Reduzierung der Emissionen bis 2035 und eine vollständige globale Klimaneutralität bis 2050. „Das Problem bei den Klimamaßnahmen dieser neuen Regierung ist die Geschwindigkeit“, sagt Pauline Brünger, Sprecherin der Aktivistengruppe Fridays for Future Deutschland. Vertreter der US-amerikanischen und der deutschen Regierungen erklären, ihre Politik sei das Ergebnis der im demokratischen Prozess notwendigen Kompromisse. Doch fragt man sich, ob das nicht nur eine andere Umschreibung des bekannten Problems ist. Der Klimawissenschaft zufolge sind die Fristen zur Begrenzung der Erwärmung nicht Ausdruck einer subjektiv empfundenen Dringlichkeit, sondern objektive Maßnahmen, die durch die Grenze eines katastrophalen klimatischen Wendepunkts definiert sind. In einem Bericht aus dem Jahr 2018 erklärte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC), eine Gruppe von Klimawissenschaftlern der Vereinten Nationen, dass das Erreichen der Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts der einzige Weg sei, um zu verhindern, dass die globalen Temperaturen über 1,5 Grad ansteigen – jenseits dessen würde das arktische Eis viel schneller schmelzen (und der Meeresspiegel ansteigen), die Menschen würden häufiger den Hitzetod erleiden und eine große Anzahl von Arten, von Insekten bis hin zu Meereskorallen, würde am Rande des Aussterbens stehen. Mit anderen Worten: Die Demokratie funktioniert durch Kompromisse, aber der Klimawandel ist genau die Art von Problem, die dies nicht zuzulassen scheint. Da die Uhr dieser Klimazeitpläne weiter tickt, wird dieses strukturelle Missverhältnis immer deutlicher. Und so suchen und finden die vom Klimawandel Betroffenen – die einen haben bereits politische Macht, die anderen streben danach – neue Wege, um die Kluft zwischen Politik und Wissenschaft zu schließen, mit allen Mitteln. Die Spannungen zwischen den bestehenden Methoden der Demokratie und der Problematik des Klimawandels sind dabei in der Innenpolitik gut zu erkennen, doch treten sie am deutlichsten in der internationalen Politik zutage. In gewisser Weise wäre es verlockend zu sagen, dass die internationale Politik noch nicht demokratisch genug ist, um den Klimawandel zu bekämpfen. Historisch gesehen ist es unbestreitbar, dass die am frühesten industrialisierten westlichen Länder für den Großteil des bereits in der Atmosphäre abgelagerten Kohlenstoffs verantwortlich sind. Ein Großteil der heutigen Emissionen wird ebenfalls von einer Minderheit der Weltbevölkerung verursacht, nämlich in den am weitesten entwickelten Volkswirtschaften der Welt – eine Gruppe, die sich stark mit der ersten überschneidet. Wenn das Grundprinzip der Demokratie darin besteht, dass jede Person (oder jedes Land) die gleiche Stimme hat, dann scheint es offensichtlich, dass die Mehrheit der Welt – der Teil der Weltbevölkerung, der am wenigsten zu den Kohlenstoffemissionen beiträgt und am meisten unter deren Auswirkungen zu leiden hat – in der Lage sein sollte, die Minderheit zur Verantwortung zu ziehen.

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