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„Putinland“ als „Mafia-Staat“: Nawalny-Vertrauter erklärt Russlands „Wahn“ – und drei Szenarien für Putins Aus

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Leonid Wolkow ist Vertrauter Alexej Nawalnys. In einem neuen Buch beleuchtet er Hintergründe des Systems Putin. IPPEN.MEDIA hat es vorab gelesen.
Erstellt: 02.10.2022, 07:15 Uhr
Von: Florian Naumann
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Leonid Wolkow ist Vertrauter Alexej Nawalnys – und Kenner der russischen Politik. In einem neuen Buch beleuchtet er Hintergründe des Systems Putin. IPPEN.MEDIA hat es vorab gelesen.
München – Russland. Ein teils gar nicht mal so fernes Land – zu dem wohl jeder Bewohner Europas Assoziationen und Bauchgefühle hegt. Echte Kenntnis, echtes Verständnis des größten Staates der Erde besitzen aber wohl die wenigsten Menschen in Mitteleuropa. Vielleicht war gerade deshalb der Schock so groß, als am 24. Februar Wladimir Putins Truppen in der Ukraine einfielen.
Oder auch nicht: Leonid Wolkow, bekannt geworden als Wahlkampf-Manager und Vertrauter Alexej Nawalnys, kann durchaus als Kenner des Systems Putin gelten. Aber auch er fiel Ende Februar 2022 aus allen Wolken – das beschreibt er in seinem neuen, auf Deutsch verfassten Buch „Putinland“ eindrücklich. Nebst der Entstehung und Funktion des russischen Repressions- und „Mafia-Staats“. Immerhin gleich drei Szenarien eines möglichen Ende des „Putinismus“ liefert Wolkow in seinem Werk auch.
Das ist für deutsche Leser aufschlussreich. Und eine Reise durch Hoffen und Bangen: Wolkow schreibt nicht nur aus der Sicht eines langjährigen Bewohner Russlands, sondern zweifellos aus der des Oppositionellen. Es ist eine Reise in die sich herabsenkende Dunkelheit einer Diktatur – aber auch eine Geschichte ebenso vieler böser Erwachen und Fehleinschätzungen wie kleinerer und größerer Oppositionserfolge. Fast klingt es deshalb wie ein Gebet, wenn Wolkow von der Hoffnung auf eine ganz spezifische Form Putin‘schen Scheiterns schreibt. Ob sie diesmal wahr wird, ist offen. Wolkows Buch hat Merkur.de von IPPEN.MEDIA schon vor Veröffentlichung am 4. Oktober gelesen.
Den 24. Februar erlebte Leonid Wolkow, so schreibt er, bei einer Konferenz russischer Oppositioneller in den USA. Es werde keinen Krieg geben, habe er bis dahin allen erklärt, die ihn fragten: „Putin ist ja kein Idiot!“ Gute Gründe für die Invasion habe es nicht gegeben: Wolodymyr Selenskjys Umfragewerte seien im Keller gewesen, ein öffentliches Nein der Nato zu einer Aufnahme der Ukraine wäre leicht zu erhandeln und möglicherweise der politische Todesstoß für den Putin verhassten Präsidenten gewesen, urteilt Wolkow. Der Westen habe sich wieder angenähert, Nord Stream 2 stand vor der Inbetriebnahme. Dann aber kam es anders:
In die Veranstaltung hinein platzten aufgrund der Zeitverschiebung die Nachrichten über die ersten Angriffe. „Ich stand dort auf dem Podium in diesem riesigen Saal und fühlte mich wie der letzte Idiot“, erinnert sich Wolkow. Aber, so meint er: Putin habe den größten Fehler seiner politischen Laufbahn begangen. „Rational“ möge Putin der Schritt erschienen sein – aber nur, weil dieser in einer abgeschotteten Welt lebe, in der Kreml-Narrative die öffentliche Meinung beeinflussen und geschönte Geheimdienstberichte die Maßgaben des Kreml-Chefs.
Eine Frage, die sich deutsche Beobachter zur ganz eigenen Welt des Wladimir Putin stellen, könnte auch lauten: Warum immer der Verweis auf die Sowjetunion, jenes zu seinem Ende hin heruntergewirtschafteten, repressiven Riesenreich, das Putin zumindest in seinen äußeren Grenzen so gerne wiederherstellen würde? Wolkow erklärt es aus der Sicht des gebürtigen Russen so: Mit dem Ende der Sowjetunion sei für die Russen nicht nur eine politische, sondern auch eine wirtschaftliche Lebenswelt zusammengebrochen.

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