Vor autoritären Herrschaftsideologien schützt nur die Republik und nicht die Demokratie. Als Republik gewährleistet der Staat politische Freiheit. Die öffentliche Debatte in Deutschland trägt diesem Umstand zu wenig Rechnung.
Vor autoritären Herrschaftsideologien schützt nur die Republik und nicht die Demokratie. Als Republik gewährleistet der Staat politische Freiheit. Die öffentliche Debatte in Deutschland trägt diesem Umstand zu wenig Rechnung.
Die deutsche Verfassung trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Vor bald 75 Jahren wurden damit auch ihre Prinzipien – Demokratie, Rechts-, Sozial- und Bundesstaat, Menschenwürde und Republik – befestigt. In der öffentlichen Debatte ist vor allem das Prinzip der Demokratie präsent. Von der Republik ist dagegen selten die Rede. Wenn über sie gesprochen wird, beschränkt sich das Sprachspiel meist auf ein simples Verbot der Monarchie, was weder der alteuropäischen Tradition republikanischen Denkens noch der gegenwärtigen Bedeutung des Republikprinzips entspricht.
Gegenwärtig bezeichnet «Republik» den freiheitlich verfassten Staat oder – mit dem deutschen Synonym für das lateinische Lehnwort – den «Freistaat». Die Bundesrepublik Deutschland besteht mit Bund und 16 Ländern aus 17 Republiken, wobei sich nur Bayern, Sachsen und Thüringen in Verfassungsurkunde und Staatspraxis «Freistaat» nennen. Die Republik des Grundgesetzes ist eine verfassungsrechtliche Ordnung, die durch Freiheit legitimiert, am Gemeinwohl orientiert und in Ämtern organisiert ist. Aufgrund ihrer freiheitlichen Legitimation verbietet die grundgesetzliche Republik jede Herrschaft aus höherem Recht wie Gottesgnadentum, Erbdynastie, Einheitspartei oder Führertum.
Ein mit der Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags gewählter «Führer einer Bewegung», der sich für seinen Führungsanspruch auf die «Vorsehung» beriefe, dürfte vom Bundespräsidenten mangels republikanischer Legitimation nicht zum Kanzler ernannt werden. Nichts anderes würde für den Generalsekretär einer Einheitspartei gelten, der als Staatsratsvorsitzender mit dem Anspruch anträte, unter «Führung der Arbeiterklasse» den Sozialismus zu verwirklichen. Vor Herrschaftsideologien dieser Art schützt nur die Republik und nicht die Demokratie.
In ihrer Orientierung am Gemeinwohl dient die Republik nicht Einzel-, Gruppen- oder Parteiinteressen, sondern dem Ausgleich solcher Partikularinteressen im Hinblick auf das Gesamtinteresse des Gemeinwesens. In Ämtern organisiert ist sie, damit das Gemeinwohl durch Amtswalter konkretisiert werden kann, die in gesetzlich geregelten Rechtsverhältnissen staatliche Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit erfüllen. Dabei wird öffentlicher Dienst im republikanischen Sinne des Wortes geleistet: an der res publica, einer Sache (res), die als allgemeine Angelegenheit per definitionem öffentlich (publica) ist, weil sie alle angeht. Die Freiheit aller ist ihr Legitimationsgrund, das Wohl aller ihre Leitidee und der Dienst für alle ihr Leistungsanspruch.Aufklärerische Tradition
Der Ursprung des Begriffs der Republik liegt in der griechischen Philosophie. In der aristotelischen Konzeption der besten Verfassung geht es um die Wechselwirkung zwischen dem politisch aktiven Bürger (polites) und der politisch richtigen Ordnung (politeia), die ein gutes, im Ganzen gelingendes Leben ermöglicht. Grundbedingung einer solchen Ordnung ist das abwechselnde Regieren und Regiertwerden von Freien und Gleichen, die nicht Sklaven oder Knechte despotischer Herrschaft sind, sondern Aktivbürger einer politischen Regierungsweise.