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Wie Kamala Harris zur gefeierten Kandidatin der Demokraten wurde

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Dreieinhalb Jahre lang war Kamala Harris in den Augen vieler Amerikaner die blasse Vizepräsidentin. Doch wo sie dieser Tage hingeht, wird sie begeistert empfangen. Wie es zu dem Imagewandel kam.
Als Kamala Harris in Houston unter lautem Jubel die Bühne betrat, waren ihr die Emotionen der vergangenen Tage ins Gesicht geschrieben. „Setzt euch, bitte setzt euch, wenn ihr einen Platz habt“, rief die amerikanische Vizepräsidentin am Donnerstag lachend ins Mikrofon. Dann hielt sie einen Moment inne, atmete hörbar aus und ließ ihren Blick über das Publikum schweifen. Es folgten fünfzehn Sekunden, in denen Harris schwieg, scheinbar ungläubig, und die Menge wieder jubelte. „Danke“, rief sie, „danke, danke, danke“, vierzehnmal insgesamt. Es war die vierte Rede in vier Tagen, und jedes Mal war sie von Begeisterungsstürmen empfangen worden.
Es wäre nicht verwunderlich, könnte auch Harris noch nicht ganz fassen, was sich seit dem Rückzug Präsident Joe Bidens in den Vereinigten Staaten zugetragen hat. Harris hat in weniger als einer Woche einen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung hingelegt, wie er nur wenigen Politikern gelingt, schon gar nicht in so kurzer Zeit. Dreieinhalb Jahre lang war sie in den Augen vieler Amerikaner die blasse, erfolglose Vizepräsidentin an der Seite Bidens. Nun gilt die Neunundfünfzigjährige als mögliche Retterin der Demokraten bei der Präsidentenwahl im November. Die nötigen Delegiertenstimmen für die offizielle Nominierung hat Harris sich schon gesichert. Nach den Clintons äußerten am Freitag auch noch die Obamas ihre Unterstützung: Man werde alles tun, um sie ins Oval Office zu bringen.
Es ist nicht so, als erfände Harris die amerikanische Politik dieser Tage neu. Doch wer sieht, wie sie seit ihrem Kickstart am vergangenen Sonntag über die Wahlkampfbühnen wirbelt, mit lautem Lachen und lauter Stimme, und wie es ihr gelingt, Inhalte auf den Punkt zu bringen, der versteht, was den Amerikanern vorher fehlte. Derartige Auftritte Bidens sind schon lange vorbei. Donald Trump wiederum fällt bei seinen Auftritten häufig in stundenlange Sermone, in denen er eine düstere Zukunft Amerikas zeichnet.
Wenn Harris dieser Tage auftritt, dann schlägt sie Pflöcke ein. Sie kenne den „Typus Donald Trump“, rief sie in der Wahlkampfzentrale in Wilmington. Sie habe als Staatsanwältin gegen Betrüger und Sexualstraftäter gekämpft. An sechstausend Mitglieder einer schwarzen Frauenverbindung gerichtet, sagte sie später: „Wenn wir uns organisieren, können wir Berge versetzen. Wenn wir mobilisieren, verändern sich Nationen.“ In den Vereinigten Staaten wollten „Extremisten“ die Zeit zurückdrehen, aber das lasse sie nicht zu.
Nach einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hob Harris am Donnerstag das Recht auf Selbstverteidigung durch Israel hervor, sagte jedoch auch, man dürfe angesichts der „Tragödien“ der Zivilbevölkerung in Gaza nicht wegsehen. „An alle, die zu einem Waffenstillstand aufgerufen haben, und an alle, die sich nach Frieden sehnen: Ich sehe euch, und ich höre euch“, fügte Harris an. Biden hatte wegen seiner Haltung zum Gazakrieg und seinem Alter vor allem junge und schwarze Wähler verloren. Harris dürfte hoffen, diesen Trend wieder umzukehren.
Harris hat ihre Herkunft und Hautfarbe in ihrer Karriere selten in den Fokus gerückt. Sie fühle sich nicht berufen, Klagelieder über ihre Erfahrungen mit Ungerechtigkeit zu singen, sagte sie in einem Interview einmal. Doch als sie am 20. Oktober 1964 als Kind eines Jamaikaners und einer Inderin in Oakland, Kalifornien, geboren wurde, gab es an ihrer späteren Schule noch keine gemischten Klassen für schwarze und weiße Kinder. Sie war 1969 dann erst der zweite Jahrgang, der zur Aufhebung der Rassentrennung in einen anderen Schulbezirk gefahren wurde.
Nach der Trennung ihrer Eltern, die sich bei Studentenprotesten an der University of Berkeley kennengelernt hatten, zog der Vater für eine Wirtschaftsprofessur in Stanford nach Palo Alto. Wenn Kamala und ihre jüngere Schwester Maya ihn dort besuchten, durften die Nachbarskinder nicht mit ihnen spielen, „weil wir schwarz waren“, sagte Harris einmal.
Als schwarze Frau war sie in ihrem Leben häufig „die Erste“: 2003 die erste schwarze Bezirksstaatsanwältin San Franciscos und 2011 die erste schwarze Generalstaatsanwältin Kaliforniens etwa. 2017 war sie die zweite schwarze Frau, die als Senatorin für Kalifornien nach Washington ging.

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