Der russische Präsident stellt eine Reform seiner Nukleardoktrin vor. Dabei probt er den Spagat zwischen Einschüchterung seiner Gegner und Beruhigung seiner Partner.
Präsident Wladimir Putin hat am Mittwochabend angekündigt, wie er Russlands Nukleardoktrin ändern will. Der Zeitpunkt war wohl mit Bedacht gewählt: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte in Washington für einen „Siegesplan“ seines Landes im Verteidigungskrieg gegen Moskaus Truppen werben. Denn von Beginn an war die Reform der Nukleardoktrin in Moskaus Bemühungen eingebunden, im Lager der westlichen Unterstützer Kiews Sorgen vor nuklearer Apokalypse zu säen und die Gegner so von weiterer Unterstützung abzuschrecken. Derzeit etwa mit Blick auf die von Kiew geforderte Erlaubnis, weitreichende westliche Raketen gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen.
Zugleich scheint Russlands Präsident bemüht, Länder, die er im Ukrainekrieg braucht, insbesondere China und Indien, nicht durch allzu heftige Volten zu befremden. Im Ergebnis wirkte es, als probe Putin einen Spagat: bedrohlicher Vernichtungsfürst auf der einen, verantwortungsvoller Weltenlenker auf der anderen Seite.
Angeblich war die Reform laut Präsident schon im vergangenen Jahr in Angriff genommen worden, angekündigt wurde sie aber erst im Sommer. Nun nannte der Präsident in dem gut vierminütigen öffentlichen Auftakt einer Sitzung seines Nationalen Sicherheitsrats drei Änderungen. Mit Blick in die aktuelle Doktrin, die in einem Präsidentenerlass vom 2. Juni 2020 niedergelegt ist, erscheint das Neue eher als Klarstellung denn als Verschärfung.
Zum Ersten führte Putin aus, man erweitere die Kategorien von Staaten, Militärbündnissen und Bedrohungen, gegen die sich die nukleare Abschreckung richten solle: Eine „Aggression gegen Russland“ durch einen Staat ohne eigene Nuklearwaffen, an der sich eine Atommacht beteilige oder diese unterstütze, solle künftig als „gemeinsamer Angriff“ beider Länder auf Russland gewertet werden.
Offenkundig gemeint, aber von Putin nicht erwähnt, sind die Ukraine und ihre amerikanischen, britischen und französischen Unterstützer mit Nuklearwaffen. Schon die bisherige Doktrin erklärt nicht allein gegnerische Nuklearmächte, sondern auch unterschiedliche Militärallianzen zu Zielen nuklearer Abschreckung – auch, wenn sie lediglich über ein konventionelles Waffenarsenal mit „bedeutendem Kampfpotential“ verfügen.
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Deutschland — in German Ukraine-Krieg: Was Wladimir Putins Reform der Atomdoktrin bedeutet