Der Grüne bringt Erdogan ein Schillerzitat mit. Von der Bundesregierung fordert er, notfalls für die Türkei unbequeme Konsequenzen zu ziehen. Ein Interview.
Herr Özdemir, wie war’s beim Staatsbankett mit dem türkischen Präsidenten Erdogan?
Ich fand es sehr gut, dass unser Bundespräsident die unangenehmen Themen nicht ausgespart, sondern in aller gebotenen Deutlichkeit angesprochen hat. Man konnte ja an der Reaktion des Gastes aus der Türkei sehen, dass er darüber nicht amüsiert war.
Was haben Sie zu Erdogan gesagt, als Sie ihm die Hand gaben?
Auf meinem Sticker stand in türkischer Sprache: „Geben Sie Gedankenfreiheit“, in Anlehnung an meinen berühmten schwäbischen Landsmann Friedrich Schiller in dessen Drama „Don Carlos“. Insofern kann Erdogan jetzt sagen, er hat Schiller gelesen. Ich habe gesagt, dass es viel zu besprechen gibt und dass ich hoffe, dass wir dazu die Gelegenheit finden. Und weil ich ihn schon lange kenne, seit seiner Zeit als Oberbürgermeister und Parteivorsitzender, habe ich ihm auch gesagt, dass von dem früheren Erdogan nichts mehr übrig ist.
Gab es später noch eine Gelegenheit zum Gespräch?
Nein, er ist sofort abgereist. Ich glaube, dass er sich den Verlauf des Abends anders vorgestellt hat.
Wie haben Sie seine Rede erlebt?
Ich habe in deutschen Medien gelesen, das sei ein extremer Auftritt gewesen. Aber wer Erdogan kennt, weiß, dass bei ihm auf der Empörungsskala durchaus noch Platz nach oben gewesen ist. Die Menschen in der Türkei kennen ihn weitaus extremer. Das war die klassische Rede eines autoritären Herrschers, völlig frei von jeder Selbstkritik.