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Wie es zu Merkels Rückzug kam und was jetzt kommt

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Angela Merkel ebnet der CDU nicht bloß den Weg für die Neuaufstellung – sie zwingt die Partei regelrecht dazu. Wie es zu allem kam.
Souverän den Notausgang zu nehmen ist keine leichte Übung, vor allem, wenn es drinnen gerade brennt. „Ich habe mir immer gewünscht, meine staatspolitischen und parteipolitischen Ämter in Würde zu tragen und in Würde zu verlassen“, sagt Angela Merkel. Sie steht im leuchtend violetten Blazer im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses. An der gleichen Stelle hat sie vor fast genau zwei Jahren ihre vierte Kanzlerkandidatur angekündigt. Das sollte noch mal ein Aufbruch werden; jetzt läutet sie ein Ende ein. Nach 18 Jahren an der Parteispitze gibt Angela Merkel den Vorsitz der CDU ab. Kanzlerin will sie bleiben, so lange es diese Regierung noch gibt. Neben ihr steht Volker Bouffier, zieht ein Gesicht wie Regenwetter und spricht aus, was an diesem Montag viele denken: „Das ist eine tiefe Zäsur für die CDU Deutschlands.“
Die Neuigkeit hat die Parteispitze am Montag kalt erwischt. Günther Oettinger stellt sich in der Früh auf einen dieser Tage nach einer Wahl ein, wie ihn die Parteiführung inzwischen hinlänglich kennt: Der Niederlage in Hessen folgt auf kurzes Bedauern das Betrachten des Tröstlichen – Bouffier kann als Ministerpräsident weitermachen – und dann die Tagesordnung.
So war das immer. So hätte es bleiben können. In einer Schaltkonferenz mit den Landesverbänden am Morgen lautete der einhellige Tenor: Es hätte schlimmer kommen können. Oettinger also sagt, was man eben immer sagt an solchen Tagen. Nein, von Ämtertrennung halt er überhaupt nichts; Europa brauche eine starke deutsche Regierungschefin, und „der Parteivorsitz ist eine hervorragende Ergänzung“.
Eine Viertelstunde später weiß auch der EU-Kommissar: Galt bis grade – ist jetzt falsch. Merkel lässt die Bombe im Parteipräsidium platzen. Die oben dabei waren, erzählen von erstarrten Mienen und offenen Mündern. Unten trudeln die Mitglieder des erweiterten Vorstands ein und staunen nicht weniger über die Meldungen, die sie alle auf ihren Smartphones lesen. Doch in das Staunen mischen sich zwei eigentlich recht gegensätzliche Empfindungen – Erleichterung und Bewunderung. „Das hätte die Partei auch nicht mehr ausgehalten“, atmet ein Vorständler aus dem Südwesten auf. Kurz darauf huscht Norbert Lammert ins Foyer und strahlt. Merkel, sagt der langjährige Bundestagspräsident, habe immer wieder einen ausgeprägten, sicheren Instinkt für Situationen bewiesen. Dass sie jetzt nicht auf Zuruf Dritter handele, sondern aus eigenem Antrieb – „souverän!“
Wirklich souverän? Am Ende beurteilen können das vermutlich nur Merkel selbst und ein paar ganz enge Vertraute. Nicht einmal Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer war im Bild. Die hatte noch am Wahlabend bekräftigt, dass Merkel beim Parteitag in Hamburg Anfang Dezember antreten wolle und sie „bis zur Stunde“ keine gegenteiligen Signale habe. Stimmt, sagt Merkel, hatte sie nicht: Es gebe Entscheidungen, über die rede man besser vorher nicht.
Aber getragen damit habe sie sich schon lange, angefangen vor den Sommerferien. Das war die Zeit, als Horst Seehofer ihr den nächsten der vielen Flüchtlingsstreite aufgedrängt, die Fraktion fast gespalten und sie mit der Richtlinienkompetenz gedroht hatte.

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