Weißrussland hat ein Flugzeug mit einem Exil-Oppositionellen an Bord zur Landung gezwungen und den Journalisten festgenommen. Der Einsatz ist beispiellos und droht zum Präzedenzfall für Autokraten weltweit zu werden. Eine Analyse.
D er weißrussische Autokrat Alexander Lukaschenko ist für beispiellos hartes Vorgehen gegen seine Kritiker bekannt. Doch mit seiner jüngsten Aktion übertraf der seit 25 Jahren regierende Lukaschenko sich selbst. Ein Linienflugzeug der Fluggesellschaft Ryanair, das aus Athen in die litauische Hauptstadt Vilnius unterwegs war, wurde am Sonntagnachmittag kurz vor der Grenze Litauens zur Landung in Minsk gezwungen, wegen einer angeblichen Bombe an Bord. Doch Lukaschenko ging es nicht um die Sicherheit der Passagiere, sondern um einen Mann, den im polnischen Exil lebenden Journalisten Roman Protassewitsch. Lukaschenkos Botschaft an seine Kritiker ist klar: Nirgendwo sollen sie sich sicher fühlen. Seine politischen Opponenten der 1990er- und frühen-2000er Jahre verschwanden spurlos. Seine Gegner bei der manipulierten Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr steckte der weißrussische Langzeitherrscher ins Gefängnis oder trieb sie ins Exil wie Swetlana Tichanowskaja. Unabhängige Medien merzt Lukaschenko nach und nach aus: 29 Journalisten sind aktuell in Weißrussland in Haft. Die populäre Nachrichtenseite Tut.by wurde vor wenigen Tagen blockiert,14 Journalisten wurden festgenommen. Vor einem Monat erst ließ Lukaschenko einen in Moskau lebenden Regierungskritiker von seinem Geheimdienst, der noch die sowjetische Abkürzung KGB trägt, nach Weißrussland entführen – unter Mitwirkung des russischen Partnergeheimdienstes, der inzwischen FSB heißt.