Jemen ist zum Schauplatz eines Stellvertreterkriegs zwischen Saudiarabien und Iran geworden. Den Preis dafür zahlt die Zivilbevölkerung. Doch weshalb kam es zum Bürgerkrieg und welche Interessen verfolgen die Strippenzieher?
Jemen ist zum Schauplatz eines Stellvertreterkriegs zwischen Saudiarabien und Iran geworden. Den Preis dafür zahlt die Zivilbevölkerung. Doch weshalb kam es zum Bürgerkrieg und welche Interessen verfolgen die Strippenzieher? Die humanitäre Lage in Jemen ist katastrophal: Fast 50 000 Menschen im Land haben so wenig zu essen, dass man bereits von Hungersnot-ähnlichen Zuständen spricht. Weitere fünf Millionen Menschen stehen unmittelbar vor einer Hungersnot. Die neusten Entwicklungen Wie ist die derzeitige Situation in Jemen? In Jemen tobt seit 2014 ein verheerender Bürgerkrieg, der das kulturreiche, aber schwach entwickelte Land im Süden der arabischen Halbinsel in eine schwere humanitäre Krise gestürzt und grosse Teile der Infrastruktur zerstört hat. Der Konflikt ist mit den Jahren immer komplexer und vielschichtiger geworden. Alle Bemühungen der Vereinten Nationen, einen Friedensprozess in Gang zu bringen, sind bisher gescheitert. Auch mehrere Gesprächsrunden zwischen Iranern und Saudis in Bagdad blieben bisher ohne Ergebnis. Vordergründig kämpfen in dem Konflikt die Regierung von Präsident Abedrabbu Mansur Hadi und die Huthi-Rebellen um die Macht. Verschärft wird der Krieg jedoch durch die Rivalität zwischen den Regionalmächten Iran und Saudiarabien sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Weiter verkompliziert wird eine Lösung durch die Beteiligung separatistischer Gruppen im Süden und des jemenitischen Kaida-Ablegers, die jeweils eigene Interessen und Ziele verfolgen. Da die Huthi-Rebellen politisch und militärisch von Iran unterstützt werden, befürchtet Saudiarabien, dass Jemen in die Einflusssphäre seines Rivalen geraten würde, sollten die Huthi die Kontrolle über das ganze Land erringen. Im März 2015 griff Riad daher an der Spitze einer arabischen Militärkoalition in den Bürgerkrieg im Nachbarland ein, um die Huthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa zu vertreiben und Präsident Hadi zurück an die Macht zu bringen. Zwar gelang es Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten seitdem, die Huthi zurückzudrängen. Mehr als sechs Jahre nach Beginn der Intervention kontrolliert die Rebellenbewegung jedoch weiterhin die Hauptstadt und grosse Gebiete im Norden des Landes. Da ein Sieg über die Huthi zunehmend unwahrscheinlich erschien, zogen die Emirate im Sommer 2019 den Grossteil ihrer Truppen ab. Auch Saudiarabien sucht inzwischen nach einem gesichtswahrenden Ausweg. Zuletzt konzentrierten sich die Kämpfe auf die strategisch wichtige Stadt Marib. Die Huthi belagern die Stadt seit Februar 2021. Es ist die letzte Stadt im Norden, die noch von den Truppen Hadis gehalten wird. Zahlreiche Flüchtlinge aus anderen Region haben dort Zuflucht gefunden. Da in der Region ein Grossteil der Öl- und Gasvorkommen des Landes liegen, ist die Kontrolle über die Stadt auch von grosser wirtschaftlicher Bedeutung. Trotz hoher Verluste ist es den Huthi bisher nicht gelungen, die Stadt einzunehmen. Saudiarabiens Kronprinz Mohammed bin Salman hatte 2015 mit einem raschen Sieg gerechnet, doch hat sich der Einsatz in Jemen für ihn zu einem kostspieligen Desaster entwickelt. Was war der Auslöser des Konflikts? Der Hintergrund des jetzigen Bürgerkriegs ist der politische Umbruch im Zuge des Arabischen Frühlings. Unter dem Druck der Proteste trat Präsident Ali Abdullah Saleh 2011 nach über drei Jahrzehnten an der Macht zurück. Nach seiner Abdankung wurde sein Stellvertreter Abedrabbu Mansur Hadi unter Vermittlung des Golf Koordinationsrats (GCC) zum Übergangspräsidenten ernannt. Vereinbarte Reformen gerieten jedoch rasch ins Stocken. Die Huthi-Bewegung nutzte die Schwäche der Übergangsregierung, um im September 2014 von ihrer Hochburg Saada auf die Hauptstadt Sanaa vorzustossen. Im Januar 2015 zwangen sie Präsident Hadi zur Flucht in die südliche Hafenstadt Aden. Möglich wurde dies durch ein ungewöhnliches Bündnis der Huthi mit den Anhängern des früheren Präsidenten Saleh. Als die Huthi im März 2015 weiter auf die Hafenstadt Aden marschierten, griff Saudiarabien in den Konflikt ein.