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Um 21 Uhr US-Ostküstenzeit, mitten in der deutschen Nacht, steigen zwei Archetypen in den Ring. In der linken Ecke: Tim Walz, 60, Gouverneur von Minnesota. In der rechten Ecke: J.D. Vance, 40, Senator aus Ohio. Es wird ein Kampf, irgendwo zwischen Wahrheit und Pflicht, wenige Konstellationen stehen so sehr für die Unvereinigten Staaten von Amerika.
Doch auch wenn sich Gegensätze in dem Fall abstoßen: Vielleicht ist sie ja noch nicht ganz verkommen, die US-amerikanische Streitkultur. Wird das TV-Duell der Wanna-Be-Vizes am Ende bloß eine Wiederauflage von Kamala Harris’ K.-o.-Sieg gegen Donald Trump? Oder gelingt dem jungen, wilden Vance das, woran sein alter, wilder Meister so grandios scheiterte: eine inhaltliche Debatte über die Zukunft der USA?
Eineinhalb Stunden überträgt CBS live aus seinem Fernsehstudio im Herzen von New York. 90 Minuten können eine Ewigkeit sein – wie im Juni, als Joe Biden seine politische Zukunft im Duell der Greise begrub. 90 Minuten können auch kurz sein – wie vor drei Wochen, als Biden-Erbin Harris Trump nach allen Regeln der Kunst an die Wand grinste.
Die Fortsetzung Walz vs. Vance in Manhattan dürfte vieles werden, langweilig aber sicher nicht. Zumal es ein fragwürdiges Comeback gibt: Es ist nämlich zurück, das Recht auf eigene Fakten. Beim Duell der Nummer Einsen hatten die Moderatoren Falschaussagen der Teilnehmer noch richtiggestellt. CNN zufolge lag die Lügenquote am Ende bei 30 zu 1 für Trump. Dass Lehrling Vance ein ähnlich loses Verhältnis zur Wahrheit pflegt, daraus macht er keinen Hehl. « Wenn ich Geschichten schaffen muss, damit die amerikanischen Medien dem Leid der amerikanischen Bevölkerung tatsächlich Aufmerksamkeit schenken, dann werde ich das tun », erklärte er in einem CNN-Interview.
Trotzdem hat man sich für den Kampf der Hintermänner komplett gegen ein Korrektiv entschieden, Sender CBS erteilt quasi die Lizenz zum Lügen. Mit einer Ausnahme: Für den (sehr wahrscheinlichen) Fall der Fälle behalten sich die Produzenten vor, Mikrofone stummzuschalten. Außerdem soll ein Expertenteam etwaig gedehnte Fakten parallel in einem Liveblog prüfen und im Anschluss an die Debatte richtigstellen. Fragt sich: Wie viele Trump-Fans werden sich das vergleichsweise linke CBS auch nur eine Minute länger als nötig antun?
Ansonsten bleibt alles beim Alten: keine Eröffnungsstatements, kurze, maximal zweiminütige Antwortzeiten (plus eine weitere Minute nach freiem Ermessen der Moderatoren, Manipulationsvorwürfe sind folglich vorprogrammiert), zwei Werbepausen und vermutlich wenig Respekt.