Home Deutschland Deutschland — in German US-Wahl 2024: Warum so viele Amerikaner für Donald Trump stimmten

US-Wahl 2024: Warum so viele Amerikaner für Donald Trump stimmten

104
0
SHARE

Donald Trump hat die Wahl gewonnen, weil viele Amerikaner sich nach einem starken Mann sehnen. Da konnte Kamala Harris nicht mithalten.
Am Morgen danach war die Welt eine andere. In New York regnete es an jenem Mittwoch im November 2016 fast durchgehend. In den Straßen der Upper West Side Manhattans standen ältere Damen, die auf ihrem Weg zum Supermarkt haltmachten und einfach zu weinen anfingen. In vielen Schulen fand kein Unterricht statt. Lehrer wiesen ihre Schüler darauf hin, dass sie jederzeit die psychologische Betreuungsstelle der Highschool aufsuchen könnten. Das linksliberale Amerika stand nach der Wahl Donald Trumps unter Schock. Kaum einer hatte das Ergebnis für möglich gehalten. Das ist diesmal anders.
Trumps Sieg hat Amerika nicht überrascht, allenfalls, dass es ein Triumph war. Erstmals seit 2004 lag ein republikanischer Präsidentschaftskandidat auch beim „popular vote“ und nicht nur bei den Wahlleuten vorn. Dass es George W. Bush seinerzeit gelungen war, auf nationaler Ebene die meisten Wählerstimmen zu gewinnen, war dem 11. September geschuldet. Sonst muss man bis ins Jahr 1988 zurückgehen, als sein Vater den Segen der meisten Amerikaner erhalten hatte. Die Demokraten glaubten lange, sie verfügten über eine strukturelle Mehrheit im Land. Siege der Republikaner in Präsidentenwahlen schoben sie auf das antiquierte Wahlsystem, das ländlichen Bundesstaaten mit geringer Bevölkerung unverhältnismäßig viel Gewicht gibt. Trumps Wahl steht dieser Lesart entgegen.
Der Instinktpolitiker ist ein hohes Risiko eingegangen. Etliche Leute hatten ihm gesagt, er möge im Wahlkampf über Brot-und-Butter-Themen reden. Über die Inflation, über die Migrationskrise und darüber, dass unter ihm keine neuen Kriege ausgebrochen seien. Trump tat das auch. Aber er verzichtete nicht darauf, er selbst zu sein. So wie er ist, kokettierte er sogar damit. Seine Berater hätten ihm gesagt: „Sir, bitte sagen Sie das nicht. Bitte, Sir!“, erzählte er häufiger auf Kundgebungen und ließ sich dann für seine folgenden Verunglimpfungen feiern. Viele Republikaner fürchteten, er rede sich um Kopf und Kragen. Trump aber vertraute auf sich selbst.
Und tatsächlich gelang es ihm, beides unter einen Hut zu bringen: Hier den gezähmten Trump, der für eine Politik des „gesunden Menschenverstandes“ warb und Amerika zu alter Stärke zurückzuführen versprach. Dort den echten Trump, den selbstverliebten, derben, zuweilen vulgären Schwadroneur. So konnten sich viele hinter ihm versammeln. Diejenigen, die seine Ausfälle auszublenden bereit waren, weil sie seine Politik unterstützen. Und diejenigen, die ihn dafür lieben, gegen das Establishment zu wüten, Verschwörungstheorien zu verbreiten oder einfach nur Unsinn zu reden.
Trump hat so nicht nur seine Basis mobilisiert und viele moderate Republikaner und unabhängige Wähler angezogen, sondern auch seine Wählerschaft erweitert. Er ist tiefer ins demokratische Milieu eingedrungen. Noch ist es zu früh, um von einem „Realignment“ zu sprechen, von der dauerhaften Bildung einer neuen Wählerallianz. Doch müssen sich die Demokraten fragen, warum sie größere Teile ihrer traditionellen Wählerschaft verlieren. Fest steht: Die Mehrheit der Amerikaner unterstützt Trump und sein Angebot starker Führung. Und das „gender gap“, die Geschlechterdifferenz, zeigt: Rechtspopulismus ist auch in Amerika vor allem ein männliches Phänomen.
Das alles hat mit dem zu tun, was Anne Applebaum die „Verlockung des Autoritären“ nennt. Die Historikerin untersucht die Krise der westlichen Demokratien und den Aufstieg des Rechtspopulismus in Europa und Amerika.

Continue reading...