Der türkische Präsident greift nach Äußerungen des BND-Chefs den Westen erneut an. Er vermutet den deutschen Geheimdienst hinter dem Umsturzversuch — und unterstellt Kanzlerin Merkel persönlich «Nazi-Methoden».
Im heftigen Streit der vergangenen Wochen sah es so aus, als könnte es für die türkisch-europäischen Beziehungen nicht mehr viel schlimmer kommen – doch der Tiefpunkt ist wohl noch nicht erreicht. Angesichts der Kurdendemonstration in Frankfurt am Main und der Zweifel des deutschen Geheimdiensts an den Thesen der türkischen Regierung zum Putschversuch im vergangenen Jahr, wirft Ankara der Bundesrepublik jetzt eine aktive Verstrickung in staatsfeindliche Aktivitäten vor.
Bisher seien Mittelsmänner benutzt worden, sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Nun aber sei der „Maskenball vorbei“. Erdogan warf Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich „Nazi-Methoden“ vor. „Du wendest auch gerade Nazi-Methoden an“, sagte Erdogan am Sonntag in Istanbul an Merkel gerichtet. „Bei wem? Bei meinen türkischen Geschwistern in Deutschland, bei meinen Minister-Geschwistern, bei meinen Abgeordneten-Geschwistern, die dorthin reisen“, sagte Erdogan.
Die persönliche Verbalattacke blieb nicht ohne Widerhall. Der neue SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von einer „Frechheit“ Erdogans. „Das ist eine Unverfrorenheit. Dass das Staatsoberhaupt eines befreundeten Landes die Regierungschefin dieses Landes in dieser Form beleidigt, ist eine Frechheit“, sagte er am Sonntag in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“. Man müsse dem türkischen Präsidenten sagen, dass ein Staatsoberhaupt eines Nato-Mitglieds und eines EU-Beitrittskandidaten „nicht alle Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie mit Füßen treten“ dürfe. „Das tut er aber. Das ist eines Staatsoberhauptes unwürdig“, sagte Schulz.
Auch Schulz’ Vorgänger an der SPD-Spitze, Außenminister Sigmar Gabriel, sprang der Kanzlerin zur Seite. „Wir sind tolerant, aber wir sind nicht blöd“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Umso mehr hätten ihn „die unsäglichen Vorwürfe und absurden Vergleiche“ der letzten Wochen aus Ankara geärgert. „Ich habe meinem türkischen Kollegen deshalb ganz deutlich gemacht, dass hier eine Grenze überschritten wurde.