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Koalitionsgespräche: Nach heftigem Streit wird wieder verhandelt

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Nach dem Dampf der vergangenen Woche haben die «Jamaikaner» zur konstruktiven Arbeit zurückgefunden. Offen ist, ob die Ergebnisse anschließend auch Bestand haben.
Die Jamaika-Unterhändler haben deutliche Fortschritte in zentralen Themen wie Arbeit, Rente, Pflege, Sicherheit und Bildung sowie beim Zukunftsthema Digitales erzielt. Dennoch gebe es in allen Bereichen noch großen Diskussionsbedarf, machten die Parteimanager von CDU, CSU, FDP und Grünen nach einer Zwischenbewertung der bisherigen Beratungen deutlich.
Die Unterhändler streben im Kampf gegen alle Formen des Terrorismus eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund an. Die Koordinierungsfunktion von Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) solle stärker als bisher wahrgenommen werden, heißt es in einem Leitlinien-Papier. Das BfV solle auf freiwilliger Basis durch Vereinbarungen mit einzelnen Ländern den Verfassungsschutz in diesen Ländern übernehmen können. Unabhängig davon sollen Länder auch die gemeinsame Erfüllung von Verfassungsschutzaufgaben vereinbaren können. Dieser Vorschlag war auf Länderseite bisher besonders umstritten.
Zudem wolle man so schnell wie möglich zusätzliche Stellen für die polizeilichen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sowie für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schaffen. Das gleiche gelte auch für die Justiz. Auf Widerstand bei FDP- und Grünen-Basis könnte die Verständigung stoßen, Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten gegebenenfalls auch befristet anzuordnen.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte, Sicherheitsbehörden und Justiz müssten technisch, personell und materiell gestärkt werden. «Das bedeutet die beste Sicherheit für die Menschen im Land und das größtmögliche Maß an bürgerlicher Freiheit.» Dazu solle die Zahl der Stellen um zusätzlich 15.000 in Bund und Ländern erweitert werden. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, der Grundkonsens der Jamaikaner sei klar: «Wir wollen einen starken Rechtsstaat und wir wollen einen effektiven Sicherheitsstandort.»
Eine Jamaika-Koalition würde nach den Vereinbarungen Vollbeschäftigung anstreben. Gemeinsames Ziel sei, die Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent zu stabilisieren. Dabei solle auch geprüft werden, ob weitere Einkommensarten — etwa aus Vermietung — einbezogen werden sollten. Auch werde man über eine Absenkung der Arbeitslosenbeiträge in dieser Legislaturperiode nachdenken. Zudem müsse eine Weiterentwicklung des Arbeitszeitgesetzes geprüft werden — die Grünen sehen dies nicht so.
Zudem wollen die Verhandler einen flexibleren Renteneintritt und gleitende Übergänge von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand. Private und betriebliche Altersversorgung sollen verbessert werden. Auch weitere Verbesserungen bei der Mütterrente würden geprüft — dies ist das Herzensanliegen der CSU. Auch die Situation im Pflegebereich soll verbessert werden. Dazu seien mehr Personal und bessere Ausstattung notwendig, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Darüber hinaus seien für die Grünen die Beitragsparität bei den Beiträgen für die gesetzliche Krankenversicherung wichtig.
Eine Freigabe von Cannabis, wie dies die Grünen und die FDP befürworten, stößt bei CDU und CSU auf Widerstand.
CDU, CSU, FDP und Grüne wollen zudem die Ausgaben für Bildung und Forschung deutlich steigern und die digitale Infrastruktur ausbauen. Zum bisherigen Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung heißt es in einem Papier lediglich: «Über die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen muss noch gesprochen werden, insbesondere über die Frage des Kooperationsverbotes.» Bis zum Jahr 2025 sollten für Bildung und Forschung mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aufgewendet werden. Darin enthalten sei eine Erhöhung der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des BIP.
Für die Digitalisierung sei der Breitbandausbau wesentlich. Welche Technologie dazu genutzt werde — etwa Glasfaser — sei noch zu erörtern, machte Tauber deutlich. Zudem sollen möglichst schnell Funklöcher auf dem Land geschlossen werden. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte, bei der Digitalisierung gehe es auch um den Ausbau der Datensicherheit. Kellner sagte, Jamaika «könnte das Bündnis der digitalen Chancen sein». Wie Beer hob er hervor, dass sich die Unterhändler klar zu einem modernen Datenrecht bekannt hätten — unter Wahrung der Bürgerrechte. Der auslaufende Hochschulpakt zwischen Bund und Ländern zur Bewältigung der hohen Studierendenzahlen solle verlängert werden.
Alle vier hoben hervor, dass sich die Arbeitsatmosphäre wesentlich verbessert habe. Kellner sagte, der Pulverdampf der vergangenen Woche sei wohl mit dem Wind vom Wochenende verflogen. Er sprach von einer «sehr guten Arbeitsatmosphäre».
Die kleine Runde der Verhandler von CDU, CSU, FDP und Grünen berät am Montag zunächst über Bildung und Digitales, dann über Arbeit, Rente, Gesundheit und Pflege sowie über Inneres und Recht. Am späteren Nachmittag will die große Gruppe mit mehr als 50 Teilnehmern eine Zwischenbilanz zum bisherigen Stand der Dinge ziehen.
Die Jamaika-Sondierungen kommen nach Ansicht von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zu langsam voran. «Wir sind massiv in Verzug. Und erst beim Studium der Reisekataloge, nicht beim Buchen von Flugtickets», kritisierte Scheuer nach einer Stzung in Mamming. Jamaika sei zwar nicht das Wunschziel und er würde lieber woandershin reisen. Generell müssten aber alle Verhandlungspartner Kompromissbereitschaft zeigen. Bei den Sondierungen gibt es kaum Bewegung. Erneut wurden heute Bedingungen und Vorwürfe formuliert.
Bei einem Scheitern der Sondierungsgespräch von Union, FDP und Grünen zur Bildung einer Jamaika-Koalition muss es aus Sicht der SPD Neuwahlen geben. «Wir werden nicht in eine große Koalition eintreten», bekräftige der SPD-Vorsitzende Martin Schulz in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. «Wenn die schwarze Ampel scheitert, wird es Neuwahlen geben müssen. Die Verantwortung dafür müssten dann Frau Merkel, Herr Seehofer, Herr Lindner und Herr Özdemir tragen.»
«Schonungslose Betrachtung der Lage»: Der Hamburger Bürgermeister und SPD-Vize Olaf Scholz hat sich mit einem scharf formulierten Grundsatzpapier in die Debatte um die Neuausrichtung seiner Partei eingeschaltet. Nach der historischen Pleite bei der Bundestagswahl rief Scholz die Sozialdemokraten auf, nicht länger «Ausflüchte» zu suchen, sondern sich den «strukturellen Problemen» zu stellen. Das Papier lässt sich als Kritik an Parteichef Martin Schulz deuten.
Weder die «fehlende Mobilisierung» der eigenen Anhänger, noch ein mangelnder Fokus auf soziale Gerechtigkeit tauge zur Erklärung für das Rekordtief von 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl, schrieb Scholz in dem sechsseitigen Papier, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Die SPD habe «vorbildlich mobilisiert» und tausende neue Mitglieder gewonnen. Außerdem habe der Wahlkampf «ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit» gestanden.
Weitere Ausflüchte, die Scholz nicht gelten lassen möchte, sind demnach die «fehlende Machtoption» der SPD sowie die wachsende Konkurrenz durch Parteien wie Grüne, Linke und neuerdings auch die AfD. Stattdessen seien die Probleme der SPD «grundsätzlicher», konstatierte der Parteivize, der als potenzieller Gegenspieler von Schulz gilt.
Erstmals hakt es in den Jamaika-Sondierungen von CDU, CSU, FDP und Grünen so richtig. Wegen großer Differenzen vertagten die vier Parteien am Donnerstagabend ihre Verhandlungen über die Kernthemen Zuwanderung und Klimaschutz. Ein Abschluss der Gespräche über diese Punkte werde nun für kommende Woche angestrebt, hieß es. Aus Teilnehmerkreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass die Parteichefs in einem separaten Gespräch Lösungswege bei den Themen Flüchtlinge und Zuwanderung finden sollen. Bis zum 2. November sollten sie die Migrationsfragen besprechen, hieß es.
Die Jamaika-Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen haben sich zu den deutschen und internationalen Klimazielen bekannt, den Streit über die Umsetzung aber noch nicht beilegen können. «Wir bekennen uns zu allen Klimazielen. Der Weg dahin wird noch ausführlich besprochen», erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag von Teilnehmern. Die Klima- und Energiepolitik gilt als eines der schwierigsten Themen in den Sondierungen für eine Jamaika-Koalition. Das Bekenntnis zu den Klimazielen auch von Union und FDP dürfte für die Grünen ein wichtiges Signal sein.
Es gilt sowohl für die Ziele zur CO2-Reduktion, die Deutschland sich gesetzt hat, als auch für die europäischen Ziele und das Klimaabkommen von Paris. Die Bundesregierung hatte 2010 beschlossen, die Treibhausgasemissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 80 bis 95 Prozent zu mindern. Dies wurde im Klimaschutzplan festgeschrieben. Für die EU gilt dasselbe Ziel. Das Klimaabkommen von Paris sieht vor, dass Staaten sich zur Reduktion ihres Treibhausgas-Ausstoßes verpflichten. Es gibt aber keine nationalen Ziele vor.
Die AfD will den am Dienstag gescheiterten Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten, Albrecht Glaser, noch einmal aufstellen. Glaser wolle aber zuvor zu den anderen Fraktionen gehen und seine Positionen zum Islam darlegen, sagte Fraktionschef Alexander Gauland am Mittwoch in Berlin. Damit könnten «etwaige Missverständnisse oder Vorurteile aufgeklärt werden». Wenn dies abgeschlossen sei, werde Glaser erneut aufgestellt.
Gauland betonte ausdrücklich, dass Glaser, der die Religionsfreiheit für Muslime infrage gestellt hatte, bei dem Thema die Position der AfD vertrete. Glaser war bei der Wahl der Bundestagsvizepräsidenten am Dienstag dreimal gescheitert.
Ob Glaser allerdings noch einmal antreten darf, ist offen. Denn der Geschäftsordnung des Bundestags zufolge kann ein im dritten Wahlgang erfolgloser Bewerber nur nach Vereinbarung im Ältestenrat noch einmal antreten. Wann dieses Gremium zusammentritt, ist aber noch offen. Die nächste Sitzungswoche des Bundestags beginnt am 20. November.
Die Jamaika-Parteien haben sich bei ihren Sondierungen in Berlin auf das Festhalten an einem ausgeglichenen Haushalt sowie auf einen Abbau des Solidaritätszuschlags verständigt. Die möglichen Koalitionspartner vereinbarten am Dienstagabend ein gemeinsames Papier, das auch Entlastungen für kleinere und mittlere Einkommen sowie den Abbau umweltschädlicher Subventionen vorsieht.
«Das war ein langer Abend, aber er hat sich gelohnt», sagte nach fast sechsstündigen Beratungen kurz nach Mitternacht CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Von einem «außerordentlich guten Gesprächsergebnis» sprach FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer lobte besonders die Festlegung auf die «schwarze Null». Von geplanten Investitionen «in Zukunftsfragen und mehr Gerechtigkeit» sprach Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.
Verabredungen gab es auch zur Europapolitik. Hier soll aber erst am Donnerstag ein gemeinsames Papier vereinbart werden. Kontroverse Diskussionen gab es über die Türkei-Politik.
In den Sondierungsgesprächen wollen die vier Parteien ausloten, ob ihnen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aussichtsreich erscheint. Die Beratungen fanden wie schon vergangene Woche in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft neben dem Reichstagsgebäude in Berlin statt.
Drei Wahlgänge, dreimal keine Mehrheit: Der AfD-Kandidat für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten, Albrecht Glaser, ist am Dienstag in der konstituierenden Sitzung des Bundestags durchgefallen. Nach der Sitzung ließ Glaser offen, ob er sich erneut zur Wahl stellt.
Darüber solle nun in der Fraktion beraten werden. «Dann werden wir entscheiden», sagte Glaser. Die Nominierung des Abgeordneten, der den Islam wiederholt als politische Ideologie bezeichnet und die Religionsfreiheit für Muslime in Frage gestellt hatte, war bei den anderen Parteien bereits im Vorfeld der Sitzung auf Widerstand gestoßen.
Nachdem der AfD-Abgeordnete bereits in den ersten beiden Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit bekommen hatte, reichte es auch im dritten Durchgang nicht.

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