Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin wird weitermachen. Arbeitsgrundlage soll der am Montag vorgestellte Koalitionsvertrag sein. Doch der entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Kompendium der Luftschlösser und Prüfungsvorbehalte. Es wird also weitergewurschtelt. Von Rainer Balcerowiak.
Mit ein paar Tagen Verspätung gibt es nunmehr auch in Berlin einen Koalitionsvertrag, der die Pläne und P …
Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin wird weitermachen. Arbeitsgrundlage soll der am Montag vorgestellte Koalitionsvertrag sein. Doch der entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Kompendium der Luftschlösser und Prüfungsvorbehalte. Es wird also weitergewurschtelt. Von Rainer Balcerowiak. Mit ein paar Tagen Verspätung gibt es nunmehr auch in Berlin einen Koalitionsvertrag, der die Pläne und Prioritäten der erneuten rot-rot-grünen Koalition festlegt. Auch die Ressortverteilung im neuen Senat steht nunmehr fest. Vorbehaltlich der Zustimmung der zuständigen Parteigremien könnte die neue Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey am 21. Dezember gewählt werden. Bei SPD und Grünen ist das eher eine Formsache, einzig die Linken-Spitze muss sich noch etliche Verrenkungen einfallen lassen, um die partiell nicht begeisterte Basis von dem Vertrag zu überzeugen. Denn dort gibt es einen Mitgliederentscheid. Wobei es letztendlich eine Mehrheit geben wird, die apokalyptische Beschwörung der „gelben Gefahr“ (FDP) für den Fall eines Scheiterns von RRG 2.0 wird dafür ausreichen. Und ohnehin gilt auch für die Linke längst das Motto des alten SPD-Haudegens Franz Müntefering: „Opposition ist Mist“. Grundlage der erneuten linken Regierungsbeteiligung ist eine ziemlich dreiste Form von Wählerbetrug. Als einzige Partei hatte sie den Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer privater Wohnungsunternehmen unterstützt, der am Wahltag eine Mehrheit von 59,1 Prozent der Stimmen erhielt. Im Wahlkampf hatte die Partei stets betont, dass sie dafür sorgen werde, dass dieses Bürgervotum bei einer erneuten Regierungsbeteiligung von ihr auch umgesetzt werden würde. Es war der einzige Wahlkampfschlager der Partei und bewahrte sie vor einem herben Absturz, analog zum Bundestrend. Während die Linke bei den Bundestagswahlen in Berlin 7,3 Prozent einbüßte und bei 11,4 Prozent landete, verlor sie bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus lediglich 1,6 Prozent und erreichte 14,2 Prozent der Stimmen. Die Wahlsiegerin Giffey hatte bereits vor Aufnahme der Sondierungen und späteren Koalitionsverhandlungen unmissverständlich klargestellt, dass es Enteignungen von Wohnungskonzernen nicht geben werde. Schnell einigte man sich auf eine wenig elegante Beerdigung des Volksentscheids. Er soll in einer vom Senat einberufenen Kommission „geprüft“ werden, die Kommission soll dann nach einem Jahr eine „Empfehlung“ abgeben, über die der Senat dann „beraten“ wird. Und ungeniert setzt man bei diesem zynischen Umgang mit dem Wählerwillen noch einen drauf. Denn unmittelbar nach Amtsantritt will der Senat ein „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ schmieden – mit eben jenen privaten Wohnungskonzernen, deren Vergesellschaftung man angeblich „prüfen“ will. Sogar der noch amtierende linke Stadtentwickungssenator Sebastian Scheel musste einräumen, dass das durchaus als ein gewisser „Zielkonflikt“ gesehen werden kann. Damit wird er sich künftig nicht weiter beschäftigen müssen, denn das für Berlin besonders wichtige Ressort für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen wird künftig wieder von der SPD besetzt. Die Erbschaft ist ein riesiger Trümmerhaufen. Mit dem Mietendeckel und dem Vorkaufsrecht wurden die beiden Referenzprojekte rot-rot-grüner Wohnungspolitik von Bundesgerichten geschreddert. Die angepeilten Neubauziele wurden deutlich verfehlt, besonders im Bereich der für Gering- und Normalverdiener erschwinglichen Wohnungen.