Der Weltärztepräsident hat kein Verständnis für die lückenhaften Corona-Zahlen nach den Feiertagen. In den letzten eineinhalb Jahren hätte viel mehr passieren müssen.
Der Weltärztepräsident hat kein Verständnis für die lückenhaften Corona-Zahlen nach den Feiertagen. In den letzten eineinhalb Jahren hätte viel mehr passieren müssen. Eine schwere Corona-Welle erschüttert Deutschland: In vielen Regionen sind die Infektions- und Todeszahlen hoch, Krankenhäuser sind erneut überlastet. Nun bereitet eine neu aufgetretene Variante den Experten zusätzliche Sorgen: Omikron. Mehr als 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind vollständig geimpft. Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, hält es für «mehr als peinlich», dass Deutschland über die Feiertage keine validen Zahlen zur Entwicklung der Corona-Pandemie hat. «Wir haben ein riesiges Digitalisierungsproblem nach wie vor in Deutschland», sagte er am Donnerstag im Deutschlandfunk. Dass es über die Feiertage keine vernünftigen Zahlen gebe, liege auch am Föderalismus, an unterschiedlichen Meldesystemen in den einzelnen Bundesländern. «Hier hätte man in den letzten eineinhalb Jahren wirklich mehr machen können», sagte Montgomery. Das Fehlen der Zahlen sei auch ein Problem, weil die Politik auf deren Basis Gesetze mache, die gerichtsfest sein müssten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Mittwoch gesagt, es sei davon auszugehen, dass die tatsächliche Corona-Inzidenz in Deutschland derzeit zwei- bis dreimal so hoch sei wie ausgewiesen. Es werde derzeit weniger getestet – zudem würden weniger Testergebnisse weitergemeldet. In den Gesundheitsämtern mache sich über die Feiertage ein genereller Personalmangel bemerkbar. Der Minister betonte, dass zur Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) am 7. Januar «eine solide und für diese Zwecke vollkommen ausreichende Datenlage» vorhanden sein werde. Die Menschen in Deutschland sehen der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie pessimistischer entgegen, als noch vor einem Jahr. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sind nur 15 Prozent der Meinung, dass die Pandemie im kommenden Jahr weitgehend oder vollständig überwunden wird.79 Prozent glauben dagegen, dass das Virus das Leben in Deutschland noch das ganze Jahr über zumindest teilweise beeinträchtigen wird.34 Prozent rechnen sogar mit einer starken Beeinträchtigung. In der anhaltend schlechten Pandemielage hat Italiens Regierung die Corona-Regeln verschärft und gleichzeitig die Quarantänepflicht gelockert. Ab dem 10. Januar 2022 gilt unter anderem in Hotels, Kongresszentren, im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, in Skiliften und auf Festen die 2G-Regel, wie der Palazzo Chigi in der Nacht zu Donnerstag in Rom mitteilte. Die Menschen müssen für den Zutritt dort also geimpft oder genesen sein. Damit erweiterte die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi die Corona-Regeln. In italienischen Medien war am Donnerstag deshalb die Rede von einem «Lockdown für Ungeimpfte». Die Regelungen gelten bis zum Ende des Notstandes am 31. März. Im Kampf gegen die steigenden Corona-Fallzahlen will Frankreichs Regierung mit Strafzahlungen gegen Firmen vorgehen, die trotz Pflicht kein Homeoffice ermöglichen. Bis zu 50.000 Euro Bußgeld sollen möglich sein, sagte Arbeitsministerin Élisabeth Borne am Donnerstag im Sender LCI. Pro Beschäftigten solle auf Unternehmen eine Strafe von bis zu 1.000 Euro zukommen können. Eine entsprechende Regelung wolle die Regierung in ein Gesetzesvorhaben einbringen. Ab kommender Woche greift in Frankreich eine Homeoffice-Pflicht. Betriebe, bei denen die Arbeit von zuhause aus möglich ist, müssen es ihren Beschäftigten dann ermöglichen, drei Tage die Woche von daheim zu arbeiten. Die Regierung empfiehlt dies sogar für vier Tage. Die Regelung gilt zunächst für drei Wochen. Die Neuinfektionen schnellten in Frankreich in den vergangenen Tagen rasant in die Höhe. Innerhalb eines Tages verzeichneten die Behörden zuletzt mehr als 200.000 Ansteckungen. Der Inzidenzwert, also die Zahl der Ansteckungen innerhalb einer Woche auf 100.000 Menschen, lag landesweit zuletzt bei knapp 800. Mehr als 65.000 Kinder zwischen fünf und elf Jahren sind in Bayern bislang erstmals gegen Corona geimpft worden. Zwei Wochen nach dem offiziellen Start der Impfkampagne seien damit rund 7,9 Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe im Freistaat erstgeimpft, teilte das Gesundheitsministerium in München mit. Angesichts des kurzen Zeitraums, der Weihnachtsferien und der Feiertage sei dies ein «relativ guter Impffortschritt». Etwas mehr als die Hälfte der Impfungen (rund 52 Prozent) für Kinder wurde demnach in Impfzentren verabreicht, der Rest in Arztpraxen. Die Zahl der wöchentlichen Impfungen im Freistaat insgesamt ging während der Feiertage nach Angaben des Ministeriums wie erwartet zurück. So wurden vom 20. bis 26. Dezember nur knapp 700.000 Spritzen gegen Corona gesetzt, in der Woche zuvor waren es noch mehr als 1,1 Millionen gewesen. Zu Beginn der laufenden Woche habe das Impftempo in Bayern aber wieder angezogen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die gemeldete Corona-Infektionsrate in Sachsen ist am Donnerstag deutlich gefallen. Das Robert Koch-Institut (RKI) weist allerdings darauf hin, dass die Daten derzeit kein vollständiges Bild der Lage bieten, weil über die Weihnachts- und Silvestertage wohl weniger getestet wird und auch von einem Meldeverzug ausgegangen werden muss. Laut RKI betrug die Sieben-Tage-Inzidenz 310. Am Mittwoch hatte sie bei 327,9 und am Dienstag bei 397,6 gelegen. Der Wert gibt an, wie viele Neuinfektionen binnen einer Woche je 100.000 Einwohner registriert wurden. Bundesweit lag die Inzidenz bei 207,4 (Vortag: 205,5). Innerhalb eines Tages wurden landesweit 3.113 neue Corona-Fälle registriert. Zudem wurden erneut vergleichsweise viele Todesfälle gemeldet: 70 Tote sind rund 20 Prozent der bundesweit gemeldeten 383 Fälle. Sachsens Bevölkerungsanteil liegt nur bei rund 5 Prozent. Seit Beginn der Pandemie sind 12.822 Corona-Patienten in Sachsen gestorben. Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) breitet sich aktuell die Omikron-Variante vor allem im Norden und Westen Deutschlands aus. Das sagte Lauterbach in den ARD-Tagesthemen. Besonders betroffen seien die Bundesländer Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen. Ein Grund sei die Grenznähe zu Dänemark und den Niederlanden, wo die Variante bereits stark verbreitet ist: «Wir haben eine dynamische Situation.» Angesprochen auf die wenig aussagekräftigen aktuellen Corona-Zahlen betonte Lauterbach, dass die Gesundheitsämter unterbesetzt seien. «Das ist ein Problem, das sich nicht so leicht beheben lässt.» Er arbeite momentan daran, dass man schon bald wieder aussagekräftige Zahlen vermelden könne. Die Entwicklung der Corona-Pandemie mit einer befürchteten fünften Welle wirft nach Ansicht von Lauterbach die Frage nach der Quarantäne-Dauer auf. Es sei «eine etwas andere Situation als wir vor einer Woche gehabt haben», sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend in den ARD-«Tagesthemen». Man müsse nun überlegen, «was bedeutet das für die Quarantäne-Dauer, was bedeutet das für die Kontaktreduzierungen?» Weltärztebund-Vorsitzender Frank Ulrich Montgomery plädiert für weitere Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Coronavirus-Variante Omikron. «Das einzige, was bisher schnell gewirkt hat in allen Wellen und in allen Ländern, war immer die Einschränkung von Kontakten mit anderen Menschen», sagte Montgomery im Deutschlandfunk. «Das muss ja nicht bis zum totalen Lockdown gehen, so wie wir das in der ersten Welle hatten.» In den USA sind innerhalb eines Tages 484.377 Neuinfektionen gemeldet worden. Das dürfte der weltweit höchste Wert sein, der seit Beginn der Pandemie für ein Land gemessen wurde. Im 7-Tage-Durchschnitt lagen die Infektionen in den USA mit 300.000 so hoch wie noch nie seit Pandemiebeginn, berichtet das Nachrichtenportal BNOnews auf Twitte r. Auf den Straßen von Paris gilt eine Maskenpflicht ab dem 31. Dezember. Grund sei der starke Anstieg von Corona-Neuinfektionen, teilen die lokalen Behörden mit. Bei einem Verstoß gegen die neue Richtlinie werde eine Strafe von 135 Euro fällig. In Frankreich besteht bereits eine Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden und Transportmitteln. Die allgemeine Impfpflicht sollte nach Ansicht der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken für alle Erwachsenen in Deutschland gelten. «Ich halte eine Impfpflicht ab 18 Jahren für erforderlich», sagt Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
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Deutschland — in German Corona-News| Weltärztepräsident Montgomery: Datenlücken "mehr als peinlich"