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Fast ein spirituelles Erlebnis

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Kanzler Olaf Scholz sprach bei Maybrit Illner mit hypnotisierender Ruhe und automatenhafter Stoik. Für den Autor hat er mit diesem Auftritt aber alles richtig gemacht. Er wollte ohnehin nicht wirklich mit der Moderatorin reden, sondern zu den Deutschen.
D as Möbiusband ist eine seltsame geometrische Figur. Nur mit einer Kante und einer Fläche ausgestattet, wirkt sie auf den ersten Blick logisch, verweigert aber auf den zweiten jede Orientierung: außen ist innen, oben ist unten, alles ist fließend, hat keinen Anfang und kein Ende. Und so war es auch mit Olaf Scholz, dem Bundeskanzler. Am 86. Tag seiner Amtszeit war er bei Maybrit Illner im ZDF zu Gast. Die Sendung hatte nur ein Thema, die Ukraine-Krise, natürlich, mit ihren Ableitungen. Sie dauerte eine Stunde und hätte nach fünf Minuten zu Ende sein können oder noch fünf Stunden dauern können. Alles, was Scholz sagte, klang schlüssig und sehr überlegt, wurde mit derart hypnotisierender Ruhe vorgetragen, von der dem Kanzler eigenen automatenhaften Stoik unterlegt, dass es fast ein spirituelles Erlebnis war. Eine Klangschalenkur, vor Augen ein Mantra im blauen Anzug und roter Krawatte. Und genau so war es auch gewollt. Denn Scholz und kein anderer Politiker geht in so eine One-on-One-Show, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, was er damit bewirken will. Man ist versucht, das alte Scholz-Klischee der ersten Amtstage wieder hervorzukramen, nämlich die Beobachtung, dass der Kanzler Auskunft über sein Handeln wenig schätzt und dementsprechend alle Journalisten auflaufen lässt. Dafür aber hätte er den Termin gar nicht wahrzunehmen brauchen. Der Neuigkeitswert war mehr als bescheiden und darum ging es auch nicht. Drei Politikerauftritte konnten wir im Laufe des Tages verfolgen. Wolodymyr Selenskyjs von unerschütterlicher Zuversicht, kämpferischem Mut und deutlichen Forderungen geprägte Pressekonferenz. Er richtete sich an die Welt und an sein Volk, er war emotional, weil er Emotionen wecken und dadurch Hilfs- und Kampfbereitschaft erreichen wollte.

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