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Charlotte Knobloch: „Meine Koffer sind ausgepackt“

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Über Jahrzehnte haderte Charlotte Knobloch damit, im Land des Holocausts zu leben. Nun wird sie 90 Jahre alt – und fühlt sich in München endlich zuhause.
Erstellt: 28.10.2022, 16:42 Uhr
Von: Patrick Guyton
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Über Jahrzehnte haderte Charlotte Knobloch damit, im Land des Holocausts zu leben. Nun wird sie 90 Jahre alt – und fühlt sich in München endlich zuhause.
Das große Besprechungszimmer der jüdischen Gemeinde liegt im obersten fünften Stock des Gebäudes und bietet einen Traumblick auf die Silhouette Münchens: Frauenkirche, der Turm des Rathauses am Marienplatz, der Alte Peter. Man kann rausgehen auf den Dachgarten, dort war auch schon Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, gemeinsam mit der Dame des Hauses.
Charlotte Knobloch kommt allein ins Zimmer, die zwei Leute vom Polizeischutz bleiben dezent vor der Tür. Sie geht sicher, nur ein wenig vornüber gebeugt. Wie immer ist sie recht edel gekleidet, viel Schmuck, Schminke, die Fingernägel dunkel lackiert. Gegen Ende des Gespräches wird sie aus dem hohen Fenster schauen, auf die Türme und die Synagoge direkt unten am Jakobsplatz, und sagen: „Das ist meine Heimat, ich liebe diese Stadt.“
Dieser Satz ist keineswegs selbstverständlich. An diesem Samstag, 29. Oktober, wird Charlotte Knobloch 90 Jahre alt. Ein großes Leben liegt hinter ihr, und sie macht weiter – als Jüdin und als Deutsche. Als Opfer des Nationalsozialismus und wesentliche Kraft beim Wiederaufbau des Judentums in Deutschland. Als Zeitzeugin und Mahnerin gegen den Antisemitismus. Menschen von diesem Format sind nicht mehr viele am Leben.
Wenn man sie fragt, wie sie täglich ihr – ehrenamtliches – Arbeitspensum bewältigt, dann lacht sie und sagt in ihrem schönen, weichen Münchnerisch: „Man hat mich gewählt und mir eine Verantwortung übertragen, die ich gerne erfülle. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich hierher komme und sehe, wie das jüdische Leben sich entwickelt.“ Charlotte Knobloch ist seit 1985 Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), so die offizielle Bezeichnung. Zwischen 2006 und 2010 war sie auch Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und damit höchste Vertreterin des Judentums.
Nicht ganz zehn Jahre alt war sie, als sie München verlassen musste, im Sommer 1942, damals hieß sie noch Charlotte Neuland. Ihr Vater Fritz, ein angesehener Rechtsanwalt, wusste, was auf das Mädchen zukommen würde: Deportation, Lager, der Tod. Doch es fand sich ihre „Retterin“, wie Knobloch die damals 35-jährige Kreszentia Hummel bezeichnet.
„Zenzi“ wurde sie gerufen, die streng katholische und ledige Frau. Sie lebte und arbeitete bei den Eltern auf dem Bauernhof in Mittelfranken in dem kleinen Markt Arberg. Zenzi hatte das Mädchen kennengelernt, als sie noch Hausbedienstete in Nürnberg war, bei Charlotte Knoblochs Onkel.

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