Nach einer Razzia gegen die „Letzte Generation“ demonstrieren einige hundert Unterstützer in der Hauptstadt. Bürgerliche Teilnehmer des Protests verurteilen das Vorgehen der Behörden als „Kriminalisierung“. Und eine 70-Jährige sieht für sich nun die Schwelle zum Aktivwerden erreicht.
„Ich möchte gerne wissen, wie ich jetzt erst recht für euch spenden kann!“, ruft eine 59-jährige Demonstrantin mit kurzen grauen Haaren und Jeansjacke einer Aktivistin der „Letzten Generation“ zu. Rund 800 Menschen sind nach Angaben einer Rednerin der Gruppe an diesem Mittwoch in Berlin zur Straße des 17. Juni gekommen. Die Berliner Polizei sprach am Abend von etwa 300 Teilnehmern. Im Schleichgang blockierten diese die Fahrspur Richtung Brandenburger Tor.
Die Klima-Aktivisten hatten zum Protest aufgerufen, nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, Dresden und Hannover. Sie fühlen sich offenbar ungerecht behandelt: Am Mittwochmorgen hatten Polizisten in mehreren Bundesländern bei einer Razzia Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht und Konten sowie die Website der Gruppe gesperrt.
Verantwortlich für den Einsatz ist die Generalstaatsanwaltschaft München. Sie geht dem Verdacht nach, ob die „Letzte Generation“ eine kriminelle Vereinigung bildet oder unterstützt.
Vielen Teilnehmern der Solidaritäts-Demonstration in Berlin stößt das Vorgehen der Behörden bitter auf. Gegenüber WELT berichten sie, dass sie heute zum ersten Mal für die „Letzte Generation“ auf der Straße gegangen seien – die Razzia habe sie „geschockt“ und „bestürzt“. Gewinnt die „Letzte Generation“ nun an Rückhalt in der Bevölkerung? Jetzt, wo die Kämpfer des umweltbewegten Milieus von „auf sie gerichteten Waffen“ sprechen?
Diesen Eindruck erweckt etwa die Frau mit den grauen kurzen Haaren, die nun „erst recht“ spenden will. Sie heißt Anne S., ihren Nachnamen, sagt sie, könne sie nicht verraten, sie fürchte berufliche Repressionen.
Sie sympathisiere schon lange mit der Bewegung, erzählt sie, sei sogar bereit, ins Gefängnis zu gehen. Ihre Lebenssituation lasse das jedoch gerade nicht zu. Auch ihr Sohn sei aktiv in „allen möglichen“ Klimagruppen. Er habe „gar keinen Bock mehr auf Zukunft“, so groß sei seine Angst. Zugleich sei er weniger radikal: Ins Gefängnis wolle er nicht.
Die Razzia am Mittwochmorgen hat für S. ein Fass zum Überlaufen gebracht: „Der eigentliche Rechtsbruch ist der Lobbyismus der fossilen Industrie! Der passiert doch täglich und wird gar nicht verfolgt“, beschwert sich die Demonstrantin. Dass sie sich nicht selbst an Fahrbahnen ankleben kann, so wie es die Aktivisten regelmäßig tun, kompensiere sie mit Geld: „Ungefähr 500 Euro habe ich in den vergangenen Monaten gespendet, verteilt über kleinere Beträge“, erzählt die 59-Jährige.
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Deutschland — in German Solidarität für die „Letzte Generation“? „Jetzt erst recht!“