Домой Deutschland Deutschland — in German Warum sich Deutschland bei Abtreibungen an 1993 klammert

Warum sich Deutschland bei Abtreibungen an 1993 klammert

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Während Frankreich über eine weitere Liberalisierung im Abtreibungsrecht jubelt, umweht Frauen hierzulande noch immer ein Hauch der Kriminalität, wenn sie ihre Schwangerschaft auf eigenen Wunsch beenden. Der Grund: eine 30 Jahre alte Entscheidung, an der es offenbar kein Vorbeikommen gibt.
Während Frankreich über eine weitere Liberalisierung im Abtreibungsrecht jubelt, umweht Frauen hierzulande noch immer ein Hauch der Kriminalität, wenn sie ihre Schwangerschaft auf eigenen Wunsch beenden. Der Grund: eine 30 Jahre alte Entscheidung, an der es offenbar kein Vorbeikommen gibt.
Geht es um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen, liegen zwischen Deutschland und seinem Nachbarland Frankreich Welten. Während Französinnen seit fast 50 Jahren legal und kostenfrei abtreiben können, stehen Frauen in Deutschland dabei noch heute mit einem Bein in der Kriminalität. Am Montag zog Paris die Gräben noch tiefer: In Frankreich sind Abtreibungen künftig nicht nur legal, sondern auch verfassungsrechtlich garantiert. Die Entscheidung im Kongress fiel mit überwältigender Mehrheit — quer durch das sonst so auseinanderklaffende Parteienspektrum. Hierzulande sorgt derweil schon jede Überlegung, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Bereich des Strafbaren zu zerren, für Empörung in breiten Teilen von Politik und Gesellschaft.
Warum unterscheidet sich Deutschland in puncto Selbstbestimmungsrecht der Frau so grundlegend von Freund, Nachbar und EU-Partner Frankreich? Und kann, möglicherweise muss, der historische Schritt aus Paris ein Anstoß für Berlin sein?
Wegweisend für den Umgang mit Abtreibungen war sowohl in Frankreich als auch in Deutschland das Jahr 1975. Damals wurden Schwangerschaftsabbrüche in Frankreich bis zur zehnten Woche mit dem sogenannten Veil-Gesetz entkriminalisiert, mittlerweile können Frauen bis zur 14. Woche legal abtreiben.
In Deutschland verlief die Entwicklung des Abtreibungsrechts im gleichen Jahr völlig konträr: Das Bundesverfassungsgericht kippte einen Liberalisierungsversuch der Willy-Brandt-Regierung und stellte fest, dass das Grundgesetz den Staat zum Schutz des ungeborenen Lebens verpflichte. 1993 wiederholten die obersten Richterinnen und Richter diese Auffassung. In dieser zweiten wegweisenden Entscheidung wurden sie sogar noch deutlicher: Schwangere hätten eine Austragungspflicht. Abbrüche könnten nur in wenigen Ausnahmen rechtmäßig sein. Ein grundsätzliches Verbot von Abtreibungen, so hieß es, müsse daher bestehen bleiben.
Damit ließ das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber kaum Spielraum. Wie eng diese Vorgaben sind, zeige auch ein Vergleich mit den USA, erklärt Céline Feldmann vom Deutschen Juristinnenbund im Gespräch mit ntv.de. So sorgte die Entscheidung des Supreme Courts, das bundesweite Recht zum Schwangerschaftsabbruch zu kippen, weltweit für Kritik. Die konkrete Ausgestaltung der Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch blieb jedoch auch nach der Entscheidung bei den US-Bundesstaaten. «Damit ist selbst diese Entscheidung des Supreme Courts weniger restriktiv als die damaligen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von 1975 und 1993.»
Aus heutiger Sicht sei auch die kurz geratene Abwägung zwischen dem Schutz des ungeborenen Lebens auf der einen und den Rechten der Schwangeren auf der anderen Seite kritisch zu sehen, fährt Feldmann fort. Das Gericht habe die Rechte der schwangeren Personen zwar erkannt, ihnen aber nicht die notwendige Bedeutung beigemessen. «Das müsste heutzutage anders beurteilt werden», sagt Feldmann. «Im Gegensatz zu damals sind reproduktive Rechte heute international sowie national anerkannt.

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