Домой Deutschland Deutschland — in German Türkei: Ein Staatsstreich in zivil

Türkei: Ein Staatsstreich in zivil

82
0
ПОДЕЛИТЬСЯ

Der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu muss in Untersuchungshaft. Mit der vorläufigen Ausschaltung von Erdogans größtem Rivalen kippt das Land von einer Autokratie in die Diktatur.
Der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu muss in Untersuchungshaft. Mit der vorläufigen Ausschaltung von Erdogans größtem Rivalen kippt das Land von einer Autokratie in die Diktatur.
Nach seiner Festnahme am Mittwoch wurde Ekrem Imamoglu in ausländischen Medien – auch in der WELT – als „aussichtsreichster Herausforderer“ des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan bezeichnet. Formal korrekt. Aber die Wahrheit lautet: Ganz gleich, ob der Amtsinhaber einen Weg findet, das Verfassungsgebot zu umgehen, das ihm eine weitere Amtszeit untersagt, oder ob bei der Präsidentschaftswahl 2028 jemand anderes für die Regierungspartei AKP antritt, hätte er keine Chance.
Und einzig darum muss der Istanbuler Oberbürgermeister ins Gefängnis. Am Sonntagmorgen, nach vier Tagen in Polizeigewahrsam, verhängte ein Istanbuler Gericht Untersuchungshaft gegen Imamoglu. Auch zahlreiche seiner Vertrauten und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, 21 weitere Personen, müssen ins Gefängnis. Für die insgesamt über hundert weiteren Beschuldigten dauerte die Gerichtsanhörung fort.
Nähere Beachtung verdient der Vorwurf der Korruption nicht. Seit Imamoglus Wahl im Frühjahr 2019 haben Buchprüfer des Finanzministeriums etliche Male die Istanbuler Stadtverwaltung kontrolliert und nichts gefunden, weshalb die Staatsanwaltschaft ihre Anschuldigungen auf anonyme Zeugenaussagen vom Hörensagen stützt. Weder hat die Staatsanwaltschaft wegen eines begründeten Anfangsverdachts ermittelt, noch ist das Gericht nach Prüfung der Beweismittel zu einem unabhängigen Urteil gelangt. Imamoglu muss ins Gefängnis, weil Erdogan will, dass er ins Gefängnis muss. Weil Erdogan weiß, dass er gegen den Politiker der Oppositionspartei CHP keine Chance hat.
Zuvor hatte schon die Universität Istanbul wegen eines angeblichen irregulären Fachwechsels Imamoglus Hochschulabschluss annulliert und ihn damit der Voraussetzung beraubt, für das Amt des Staatspräsidenten zu kandieren. Zudem wurde das Bauunternehmen, das seit 1950 im Besitz der Familie Imamoglu ist und zu dessen Teilhabern Ekrem Imamoglu gehört, beschlagnahmt.

Continue reading...