Das Elend der Verbliebenen kollidiert mit einer zunehmenden Krise durch die Geflohenen. Zwischen der EU und der Ukraine klafft ein Interessenkonflikt.
Stand: 15.11.2024, 22:15 Uhr
Von: Karsten-Dirk Hinzmann
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Das Elend der Verbliebenen kollidiert mit einer zunehmenden Krise durch die Geflohenen. Zwischen der EU und der Ukraine klafft ein Interessenkonflikt.
Kiew – „Die Zukunft sieht düster aus“, schreibt Sophie Meiners. Der Ukraine-Krieg hat in Europa die größte Massenflucht seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Die Analystin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beschäftigt sich mit dem Wiederaufbau der Ukraine und der Rückkehr der Flüchtlinge. Laut der französischen Nachrichtenagentur Agence France Press (AFP) droht allerdings die nächste Welle, wenn Wladimir Putin weiter die Energieversorgung der Ukraine im Fadenkreuz behält. Die Vereinten Nationen warnen. Und Deutschland grummelt.
„Wenn sie den Energiesektor erneut ins Visier nehmen würden, könnte dies ein Wendepunkt sein“, warnte Matthias Schmale – den humanitären Koordinator der Vereinten Nationen in der Ukraine zitiert die AFP. „Dieser Winter wird der härteste der letzten drei Jahre sein“, befürchtet auch Oleksiy Brecht. Brecht leitet den staatlich geführten Übertragungsnetzbetreiber Ukrenergo und hat gegenüber dem ukrainischen Medienunternehmen Suspilny geäußert, er müsse sich ernste Gedanken darüber machen, wie er über die Kälteperiode hinweg die Versorgung der Ukraine mit Energie sicherstellen könne. Ukrenergo betreibt die überregionalen Stromnetze des Landes, insbesondere das Hochspannungsfreileitungsnetz und hat durch den Terror Russlands gegen die kritische Infrastruktur erhebliche Kapazitäten eingebüßt.
„Dies könne den Ausschlag geben für weitere Massenbewegungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes“, warnte Matthias Schmale gegenüber der AFP. Dem Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) zufolge seien im Januar 2024 fast 6,5 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine registriert gewesen, mehr als vier Millionen davon in EU-Mitgliedstaaten, davon wiederum 29 Prozent in Deutschland sowie 22 Prozent in Polen. Das könnte sich somit in diesem Winter verschärfen und auf einem hohen Niveau verbleiben, wenn der Wiederaufbau des Landes, wie erwartet, stockt.
Analystin Meiners ist überzeugt, „dass die Bevölkerung der Ukraine unabhängig von der Dauer des Krieges selbst bis 2040 nicht wieder ihr Vorkriegsniveau erreichen wird“ und bezieht sich auf eine Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche. „Die skizzierten Szenarien prognostizieren einen möglichen Rückgang der ukrainischen Bevölkerung um 20 Prozent in den nächsten 16 Jahren, wobei die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter noch stärker betroffen sein wird als die Gesamtbevölkerung. Hier schätzen die Forscher einen weiteren Rückgang um 22 bis 25 Prozent bis 2040 im Vergleich zu 2021“, so Meiners.
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