Wenn der Wecker klingelt, gilt unser erster Griff häufig dem Smartphone — was ist nachts passiert, wer hat noch eine Nachricht geschickt, wie wird das Wetter? Unser Alltag ist online. Für Strafgefangene gilt das nicht — vorausgesetzt, sie schmuggeln kein Smartphone in ihre Zelle. Denn einen Anspruch auf Internet hinter Gittern haben sie nicht. Daran ändert auch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nichts.
Geklagt hatte ein Mann, der in Litauen im Gefängnis sitzt. 2006 wollte er vom Bildungsministerium wissen, welche Studien-Möglichkeiten es für ihn gibt. Die Antwort: Können Sie online nachschauen. Der Mann fragte also im Gefängnis nach einem Internetzugang. Die Antwort: Gibt’s für Sie nicht. Aus Sicherheitsgründen. Der Mann blieb offline — eine Verletzung seiner Informationsfreiheit? (Beschwerde-Nr. 21575/08).
Ja, urteilen die Richter in Straßburg, und sprachen dem Gefangenen in dem speziellen Fall aus Litauen eine Entschädigung für seinen ihm entstandenen immateriellen Schaden zu. Eine generelle Pflicht, Häftlingen Internetzugang zu gewähren, begründet der Schiedsspruch allerdings nicht.
Einige Länder in Europa räumen Gefangenen bereits auch so Zugang zum World Wide Web ein. Im IT-Vorzeigestaat Estland etwa können Häftlinge Computer mit eingeschränktem Internetzugang nutzen, um Gesetze und Gerichtsentscheidungen in den offiziellen Datenbanken lesen. Andere Internet-Anwendungen bleiben ihnen dem Justizministerium in Tallinn zufolge aber weiterhin verwehrt.