Die Grünen wählen heute in Hannover ihre neuen Bundesvorsitzenden. Mit einer Satzungsänderung hatten sie gestern Abend den Weg für den Kandidaten Robert Habeck freigemacht.
Der Weg ist frei für den Mann, der heute wahrscheinlich zum neuen Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen gewählt wird: Robert Habeck könnte auch als Parteichef noch acht Monate Umweltminister in Schleswig-Holstein bleiben. Das hatte er zur Bedingung für seine Kandidatur gemacht. Dafür haben die Grünen gestern Abend auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Hannover mit deutlicher Mehrheit für eine Änderung ihrer Satzung gestimmt: Die strenge Trennung von Amt und Mandat wird aufgeweicht. Neben Habeck kandidieren Anja Piel, Fraktionsvorsitzende in Niedersachsen, und Annalena Baerbock. Heute um 13 Uhr beginnt die Wahl des Bundesvorstands. Gegen 14 Uhr sollen die beiden Vorsitzenden gewählt werden.
Die heutige Wahl wird mit Spannung erwartet — sie bestimmt die künftige Richtung der Partei. Die beiden Kandidatinnen, die sich um den weiblichen Part der stets gemischten Doppelspitze bewerben, stehen für unterschiedliche Generationen und politische Richtungen innerhalb der Grünen. Piel ist 52 Jahre alt und wird zum linken Parteiflügel gezählt. Ihre Konkurrentin, die 37-jährige Baerbock, kommt gebürtig aus Hannover. Baerbock ist Bundestagsabgeordnete und ehemalige brandenburgische Landeschefin der Partei. Sie gehört dem realpolitischen Parteiflügel an.
Als Realo gilt auch der 48 Jahre alte Habeck. Dies könnte möglicherweise Einfluss auf die Wahl der weiblichen Vorsitzenden haben: Es kommt darauf an, wie viel Wert die Abstimmenden darauf legen, dass im Bundesvorsitz beide Flügel vertreten sind. Wird der linke Flügel überstimmt, stünden zwei Realos an der Spitze — für die Grünen äußerst ungewöhnlich. Nicht auszuschließen, dass die Mitglieder damit einen Präzedenzfall schaffen würden. Einige Vertreter des Realo-Flügels, darunter Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der bisherige Vorsitzende Cem Özdemir, haben bereits ein Ende des Flügelproporzes gefordert.
Gestern waren zunächst die beiden bisherigen Bundesvorsitzenden, der Realo Özdemir und die Parteilinke Simone Peter, verabschiedet worden. Özdemir erneuerte seinen Appell, sich von politischem Lagerdenken zu verabschieden. «Ich habe mich nie als Teil eines linken oder eines anderen Lagers verstanden», sagte er. «Entscheidend ist für mich, dass wir Personen oder politische Inhalte nicht danach beurteilen, von welchem Flügel sie gerade kommen, sondern alleine danach, was uns Grüne unseren Zielen näher bringt.» Simone Peter rief die Grünen in ihrer Abschiedsrede dazu auf, sich für Vielfalt einzusetzen. «Wir kämpfen weiter für eine bunte Republik, gegen Rassismus und Hetze», sagte sie. «Ich klinke mich da sicher auch nicht aus.»
Jürgen Trittin (rechts) wird 1954 in Bremen geboren, macht aber in einem anderen Bundesland politisch Karriere, und zwar in Niedersachsen. Als Fraktionsvorsitzender im Landtag unterhält er sich hier 1989 mit Ministerpräsident Gerhard Schröder.