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Ökonom: Abschaffung von Bargeld ist verheerend für die Demokratie

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Für den Wirtschaftsjournalisten geht es bei der geplanten Bargeldabschaffung nicht nur um eine Beilegung der Schuldenkrise, sondern auch um die Überwachung der Bürger.
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Für den Ökonomen Norbert Häring geht es bei der geplanten Bargeldabschaffung nicht nur um eine Beilegung der Schuldenkrise, sondern auch um die Überwachung der Bürger und die Stärkung der Wall Street. Für die Demokratie sei die Entwicklung verheerend, sagt er im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ließe sich die weltweite Schuldenkrise durch eine Bargeldabschaffung in den Griff bekommen?
Norbert Häring: Eine akute Krise würde ich weltweit nicht mehr diagnostizieren. Nur in Europa hat sich die Bankenkrise nach den teuren Rettungsaktionen in eine hartnäckige Staatsschuldenkrise verwandelt, weil die Notenbank den Staaten erst geholfen hat, als der Zusammenbruch der Währungsunion drohte. In den USA hat die Zentralbank die Schulden des Staats frühzeitig durch frisches Geld aufgekauft und bedient.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die hohe Verschuldung von Staaten und Privatwirtschaft ist also kein Problem?
Norbert Häring: Doch, schon. Ein großes sogar. Der Schuldenüberhang muss aus der laufenden Produktion und den laufenden Einkommen bedient werden. Er führt dazu, dass die Produktionskosten steigen und die Einkommen der Nicht-Kapitalbesitzer sinken. Das geht nicht ewig gut. Irgendwann müssen die Schulden abgeschrieben werden und dann droht die nächsten Banken- und Finanzkrise. Mit dieser umzugehen wird leichter, wenn Bargeld keine nennenswerte Rolle mehr spielt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Warum das?
Norbert Häring: Das Problem der Banken ist, dass sie jederzeitige Auszahlung von Giroguthaben versprechen, das aber nur halten können, wenn wenige davon Gebrauch machen. Denn sie können zwar nach Belieben Giralgeld schaffen, aber kein Bargeld selbst drucken. Gibt es kein Bargeld mehr, muss das Bankensystem insgesamt seine Schulden bei Einlegern nie mehr begleichen. Das Geld wird im Bankensystem eingesperrt. Es kann zwar von einer Bank zur anderen transferiert werden, das Bankensystem aber nicht mehr verlassen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was meinen Sie mit „die Banken schaffen Giralgeld“?
Norbert Häring: Wenn eine Bank mir einen Kredit von 100.000 Euro gibt, dann schreibt sie mir einfach ein Guthaben von 100.000 Euro auf dem Girokonto gut. Das ist neues Geld, das ich zum Zahlen von Rechnungen verwenden kann – und der Empfänger auch wieder. Es war vorher nicht da. Das ist eine Schuld der Bank mir gegenüber, von der die Bank als Teil des Bankensystems erwartet, dass sie diese Schuld nie begleichen muss. Denn als Teil des Bankensystems bekommt sie ungefähr so viel neues Geld von anderen Banken überwiesen, wie ihre Kunden Giralgeld an andere Banken wegüberweisen. Auf der Gegenseite trägt die Bank eine langfristige Forderung an mich ein, die einen höheren Zins trägt, und die ich auf jeden Fall bei Fristablauf begleichen muss.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der Kredit wäre eine Schuld der Bank Ihnen gegenüber?
Norbert Häring: Mir gehört praktisch ein Schuldschein der Bank. Mehr nicht. Weil dieser Schuldschein aber als Geld fungiert, wird er normalerweise nicht eingelöst, sondern immer weitergereicht. Wenn die Bank mir Kredit gibt, gibt sie mir kein Geld, sondern so einen Geld-Schuldschein, der wie Geld behandelt wird.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Aber wenn eine Bank mehr Schulden als Vermögen hat, ist sie doch trotzdem pleite, auch wenn kein Bargeld abfließen kann?
Norbert Häring: Das stimmt. Eine einzelne, nicht zu große Bank darf dann auch pleite gehen. Eine große Bank, oder viele Banken aber nicht. Wenn etwas schiefgeht, etwa weil sie sich verspekuliert haben, werden sie gerettet. Wir haben jetzt den Vorrang der Gläubigerhaftung im Gesetz. Bevor der Staat hilft, müssen die Gläubiger bluten. Das sind vor allem die Einleger. Damit man sie enteignen kann, muss man sie erst am Weglaufen hindern, indem man ihnen die Möglichkeit nimmt, sich das Geld bar auszahlen zu lassen, und so nicht mehr Gläubiger der Banken zu sein.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie muss man sich das vorstellen? Eine Entwertung der Bankeinlagen wie in Zypern um bis zu 50 Prozent?
Norbert Häring: Das ist der mögliche, aber eher unwahrscheinliche harte Schnitt zur Sanierung der Banken. Wenn man nicht mehr auf Bargeld ausweichen kann, geht das auch gradueller. Bei einem Negativzins von minus 5 Prozent, sind die Guthaben nach ein paar Jahren genug entwertet, um die Banken wieder solvent zu machen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wer würde durch derartige Maßnahmen besonders getroffen?
Norbert Häring: Alle, die in größerem Umfang Guthaben auf Bankkonten halten. Das sind vor allem die mit mittleren Einkommen und Vermögen – entweder direkt oder über die Bankeinlagen ihrer Versicherer und Pensionskassen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es Personen, die sich derartigen Maßnahmen entziehen könnten?
Norbert Häring: Wer keine nennenswerten Bankguthaben hat, kann auch nicht enteignet werden. Und wer ein hohes Vermögen hat, dem tut der kleine Prozentsatz, den er auf der Bank liegen hat, nicht sehr weh.

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