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Macht die Krise uns alle arm?

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Wegen der hohen Inflation und der Energiekosten warnen Sozialverbände vor wachsender Armut bis weit in die Mittelschicht hinein. Wird die Not in Deutschland zum Massenphänomen? Oder sind die Ängste übertrieben?
Erstellt: 21.10.2022, 07:18 Uhr
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Wegen der hohen Inflation und der Energiekosten warnen Sozialverbände vor wachsender Armut bis weit in die Mittelschicht hinein. Wird die Not in Deutschland zum Massenphänomen? Oder sind die Ängste übertrieben?
Berlin – Annie W. sagt, sie möchte einfach mal so einen Kaffee trinken gehen. „Das ist nicht möglich, wir können solche Kleinigkeiten nicht.“ Wenn die Schuhe kaputt sind oder der Schulranzen des Kindes: „Mal schnell in den Laden? Das geht nicht.“ Die 40-Jährige hat im Mai mit einem Tweet die Bewegung #Ichbinarmutsbetroffen angestoßen. Jetzt steht sie auf einer Bühne vor Demonstranten am Berliner Kanzleramt. Sie fordert Hilfe ein. „Wir gehören genauso dazu wie jeder andere auch.“
Etwa 200 Menschen sind an jenem warmen Oktobertag vor der Berliner Regierungszentrale. An diesem Samstag nun sollen es bei Demonstrationen zum „Solidarischen Herbst“ bundesweit 20.000 werden, dafür werben Gewerkschaften, Sozialverbände und linke Netzwerke. Stark steigende Preise für Lebensmittel, Gas und Strom – wer schon immer wenig hatte, fürchtet den Absturz, aber auch Normalverdiener sorgen sich. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte schon kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: „Wir werden dadurch ärmer werden.“ Ist es jetzt soweit? Macht uns die Krise alle arm?
„Die jetzt zweistellige Teuerung ist die höchste jemals gemessene Inflationsrate seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Das wird leider dazu führen, dass es Wohlstandsverluste gibt. Das wird die Mehrheit der Menschen betreffen.“
Dabei sieht Grabka nicht alles schwarz. Dieses Jahr soll die Wirtschaft noch um 1,4 Prozent wachsen, nächstes Jahr nur leicht um 0,4 Prozent schrumpfen. Die Zahl der Erwerbstätigen sei auf einem Höchststand, und das werde sich laut Prognose der Bundesregierung nächstes Jahr kaum ändern, sagt der Ökonom. Auch seien die Nettohaushaltseinkommen binnen 25 Jahren um 26 Prozent gestiegen. Wenn jetzt die Teuerung Kaufkraft fresse, dann tue das vielen Menschen zwar weh. Aber es könnte sich um einen „einmaligen Rücksetzer“ handeln, wenn Gewerkschaften in den anstehenden Tarifrunden ihre hohen Forderungen durchsetzen könnten.

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