Der nach einer Stasi-Affäre zurückgetretene Berliner Ex-Staatssekretär Andrej Holm verliert auch seinen zweiten Arbeitsplatz. Die Berliner Humboldt-Universität will ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter ordentlich kündigen. Sie wirft ihm “arglistige Täuschung” vor.
Die Berliner Humboldt-Universität wird ihr Arbeitsverhältnis mit dem stasibelasteten Stadtsoziologen Andrej Holm beenden. Der Vertrag mit der Humboldt-Universität werde “ordentlich gekündigt”, sagte Präsidentin Sabine Kunst am Mittwoch unter lautstarkem Protest von Studenten. Diese Entscheidung sei dem Personalrat mitgeteilt worden. Laut Kunst hat der Personalrat zwei Wochen Zeit sich zu äußern.
Die Präsidentin sagte, sie bedauere die Entscheidung, weil die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) einen renommierten und anerkannten Stadtsoziologen mit großer wissenschaftlicher Reputation verliere. “Seine Lehrveranstaltungen waren bei den Studierenden besonders geschätzt, die Anerkennung unter seinen Kolleginnen und Kollegen erstreckt sich über alle Fakultäten”, so Kunst weiter. Wegen dieser Wertschätzung hätte die HU versucht, das Arbeitsverhältnis mit Holm einvernehmlich aufzulösen. “Leider hat er diesen fast schon vereinbarten Weg verworfen”, sagte die Präsident.
Die Kündigung beruht ihren Worten zufolge nicht auf der Tätigkeit von Holm für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), sondern einzig darauf, dass er die HU hinsichtlich seiner Biographie getäuscht und auch an dem wiederholt vorgebrachten Argument der Erinnerungslücken festgehalten hat.
Holm habe mit seinen Angaben im Fragebogen und in verschiedenen Lebensläufen zu verschleiern versucht, dass er Offiziersschüler des MfS war. “Dies ist arbeitsrechtlich eine arglistige Täuschung”, sagte Kunst. Mitte Dezember habe er der HU einen neuen Lebenslauf zugesandt, in der die Tätigkeit als Offiziersschüler gegenüber der HU erstmals erwähnt worden sei. Damit sei klar, dass dem Stadtsoziologen bewusst war, dies bislang verschwiegen zu haben. Vielmehr gehe die HU davon aus, dass er die “bisherigen Falschangaben zum Teil korrigieren wollte, allerdings immer noch bei seiner Falschangabe bleibt, er habe eine Grundausbildung beim Wachregiment geleistet”.
Holm, der am Montag als Berliner Staatssekretär für Stadtentwicklung und Wohnen zurückgetreten war, hatte in einem Personalfragebogen 2005 verneint, hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter gewesen zu sein. Er begründet das mit Erinnerungslücken.
Mit den Falschangaben sei das Vertrauensverhältnis der HU gegenüber Holm nachhaltig gestört worden, erklärte Kunst weiter. In der Stellungnahme gegenüber der HU sei mit keinem Wort ein Bedauern zu den Falschangaben zu erkennen gewesen. Die Falschangaben, das fehlende Bedauern und Holms Beharren auf “Erinnerungslücken” hätten die Universitätspräsidentin dazu gebracht, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Noch am Dienstag hatten Studenten gefordert, Holm müsse am Institut für Sozialwissenschaften bleiben. Sie nutzten eine Sitzung des Akademischen Senats für eine Protestkundgebung. Der Stadtsoziologe und wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni war für seine Tätigkeit in der Landesregierung beurlaubt worden.
Holm, der von der Linken zum Staatssekretär für Stadtentwicklung und Wohnen ernannt worden war, trat am Montag nach gut einem Monat von diesem Amt zurück. Als Grund nannte er in einer Erklärung auf seiner Internetseite: “In den letzten Tagen haben mir SPD und Grüne deutlich gemacht, dass sie mich als Staatssekretär politisch nicht unterstützen. ” Nun ziehe er eine Reißleine. Am Dienstag entließ ihn der Senat offiziell – ein rein formaler Akt, da ein Beamter sich nicht selbst entlassen kann.
Den Linken ersparte Holm mit seinem Rücktritt die Entscheidung, ob sie an ihm festhält und einen Bruch der Koalition riskiert, oder nicht. Holms Chefin, Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), betonte, für sie sei der Rücktritt bitter.
Mieteninitiativen zeigten sich nach dem Rücktritt Holms als Wohn-Staatssekretär aufgebracht: Sein erzwungener Schritt sei “ein Rückschritt im Kampf um eine sozialere Wohnungs- und Stadtpolitik”. Die Regierung habe an Glaubwürdigkeit verloren. Die Initiativen kündigten mehrere Protestkundgebungen an.
Holm war 1989 und 1990 als 18-Jähriger knapp sechs Monate lang als hauptamtlicher Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes geführt worden und hatte im Stasi-Wachregiment “Feliks Dzierzynski” Militärdienst geleistet. Es war vorgesehen, dass er als Offizier ein Journalistik-Studium aufnehmen sollte. Seine Stasi-Tätigkeit hatte er 2007 publik gemacht.
© Source: http://www.tagesschau.de/inland/rbb-story-2243.html
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