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Union und SPD reden heute über eine gemeinsame Regierung

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Die Spitzen von CDU, CSU und SPD treffen sich am heutigen Mittwoch, um Chancen für eine gemeinsame Regierung auszuloten. Die SPD schlug zuvor eine KoKo anstatt…
Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen startet Kanzlerin Angela Merkel einen neuen Versuch, doch noch eine stabile Regierung zu bilden. Rund 80 Tage nach der Bundestagswahl trifft sich die CDU-Vorsitzende am Mittwochabend mit den Chefs von CSU und SPD, Horst Seehofer und Martin Schulz, sowie mit den Fraktionschefs der drei Parteien. Gemeinsam wollen sie die Chancen für eine weitere schwarz-rote Koalition auszuloten.
Völlig offen ist noch, wie ein solches Bündnis aussehen könnte. In der SPD gibt es erhebliche Vorbehalte gegen eine neue große Koalition nach klassischem Muster. Das von der Parteichef Schulz ins Gespräch gebrachte Modell einer Kooperations-Koalition stößt dagegen in der Union auf Ablehnung.
Auf einmal redet in der Berliner Politik alles von der « Koko », der Kooperationskoalition. Mittendrin: der Abgeordnete Karl-Heinz Brunner aus Illertissen. « Warum legen wir uns eigentlich immer bis ins letzte Detail fest », fragt er beim SPD-Parteitag im Gespräch mit unserer Redaktion. Würde es nicht genügen, sich auf einige wenige Themen zu konzentrieren, die Union und SPD wichtig sind, diese dann in einer Koalition gemeinsam anzugehen – und sich für alles andere wechselnde Mehrheiten im Parlament suchen? « Den Bundestag », sagt Brunner, « würde das auf jeden Fall stärken. » Was zunächst nur wie das Gedankenspiel eines mittelprächtig bekannten Abgeordneten aus Illertissen klingt, hat das politische Berlin inzwischen zur « Kooperationskoalition » hochgejazzt – oder, ganz kurz: KoKo. Mehr dazu lesen Sie hier.
Die SPD bringt wegen des Widerstands gegen eine Große Koalition eine in Deutschland neue Form der Regierungszusammenarbeit ins Spiel – und stößt damit auf Widerstand bei der Union. Die CDU-Spitze kritisierte so eine Koalition mit nur teilweiser fester Zusammenarbeit als zu unsicher für das Land.
Der neue Bundestag will die in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene Regelung zur automatischen Diätenanpassung übernehmen. Ein entsprechender Antrag wird von den Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP unterstützt, wie am Dienstag bekannt wurde.
Nach der Anpassungsregelung, die in der jetzigen Form am 24. Oktober 2017 in Kraft trat, werden jeweils zur Mitte des Jahres die Diäten entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung angepasst. Regelmäßige Verhandlungen über die Abgeordnetendiäten sind damit überflüssig. Der Bundestag reagierte mit dieser Regelung auch darauf, dass die jeweiligen Erhöhungen in der Bevölkerung häufig als Selbstbedienung umstritten waren. Erstmals angewendet wurde die automatische Diätenerhöhung zum 1. Juli 2016.
Kritiker stören sich jedoch auch an diesem Automatismus nach der allgemeinen Lohnentwicklung. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) reagierte mit scharfer Kritik auf die angeblich kurzfristigen Pläne, den Diätenautomatismus im Bundestag weiter aktiv zu halten. « Wieder einmal wollen sich die Abgeordneten klammheimlich höhere Diäten gönnen, ohne dass die Bürger davon etwas erfahren sollen », kritisiert BdSt-Präsident Reiner Holznagel. « Jede Diätenerhöhung muss öffentlich und transparent im Bundestag debattiert werden. Einen Diätenautomatismus darf es nicht geben », so Holznagel.
Vor den ersten Gesprächen von Union und SPD über eine mögliche Neuauflage der großen Koalition hat CSU-Chef Horst Seehofer zu zügigen Verhandlungen aufgerufen. « Ich glaube nicht, dass die Politik hier ohne rechtliche Schranken ist, was die Dauer der Verhandlungen anbelangt », sagte der 68-Jährige. Ansonsten könnte ja eine einmal im Amt befindliche Regierung ihre Legislatur immer weiter verlängern. « Das kann ich mir nicht vorstellen, dass das im Sinne des Grundgesetzes ist. » Seehofer sagte, niemand dürfe vergessen, dass die Regierung – seit der Wahl nur noch geschäftsführend im Amt – nicht durch den Bundestag legitimiert sei. « Unabhängig davon glaube ich, dass es politisch geboten ist, dass erwachsene Leute mit der notwendigen Disziplin jetzt eine vernünftige Regierung zustande bringen. »
Je nach Verlauf der Verhandlungen werde auch die CSU ihre Basis am Ende über einen Koalitionsvertrag auf einem Parteitag abstimmen lassen. Dies gelte besonders für den Fall, dass das Ergebnis – anders als am Ende der Jamaika-Sondierungen – nicht im Sinne der CSU sei. Die CSU werde zwar alles in ihrer Macht Stehende tun, dass es zu einer Regierung komme, so Seehofer, « aber nicht um jeden Preis ». Darüber hinaus appellierte er an die Vertreter der drei Parteien, sich mit « pausenlosen Statements » zurückzuhalten. « Das verwirrt die Menschen (…) So wird es ganz gewiss nichts », sagte er in Anspielung auf die vielen Äußerungen während der gescheiterten Jamaika-Koalitionssondierungen mit FDP und Grünen.
Niemand dürfe vergessen, dass sich am Mittwoch in Berlin drei « Wahlverlierer » zusammensetzten, die bei der Bundestagswahl mit Ergebnissen ausgestattet worden seien, die « zum Jubilieren keinen Anlass » böten. « Diese Bundestagswahl hat die Großen kleiner gemacht und die Kleinen größer. Das ist zurückzuführen auf eine Polarisierung im Lande, auf eine Spaltung im Lande », erklärte er. Selbst die CDU-Wahlanalyse habe ergeben, dass das Ergebnis « eindeutig mit der Flüchtlingsfrage zusammenhing und allem, was man mit dieser Frage in Verbindung bringen kann: meine Rente, meine Miete, meine Gesundheitsversorgung ».
In der SPD wird angesichts des Widerstands gegen eine Große Koalition eine bislang noch nicht da gewesene Form der Regierungszusammenarbeit geprüft. Parteichef Martin Schulz erläuterte am Montag in der Fraktionssitzung ein Modell, bei dem nur bestimmte Projekte im Koalitionsvertrag verankert werden, andere aber bewusst offen bleiben, damit sie im Bundestag diskutiert und ausverhandelt werden – das würde mehr Raum geben zur Profilierung. Die Idee einer Kooperationskoalition (« KoKo ») stammt von der Parteilinken.
So könnten aktuelle Strömungen in der Gesellschaft in den vier Jahren einer solchen Regierungskooperation aufgenommen werden, erläuterte Schulz. « Das wäre eventuell eine Brücke, über die viele in der SPD gehen könnten », hieß es. In der SPD wird heute der Koalitionsvertrag mit der Union von 2013 kritisch gesehen. Auf 185 Seiten wurde seinerzeit alles bis in das letzte Detail verhandelt und dann vier Jahre lang in Gesetze gegossen – am Ende war vielen Bürgern nicht klar, wer etwa für die Durchsetzung des Mindestlohns verantwortlich war. Die SPD fürchtet, wieder als Verlierer aus einer « GroKo » heraus zu gehen. Wenn bestimmte Themen offen bleiben, könnte sie – so das Kalkül – beim Ringen um Projekte deutlicher machen, wer wofür steht und was auf wessen Betreiben durchgesetzt wird, notfalls auch mit anderen Mehrheiten. Als ein Beispiel gilt die gegen die Union durchgesetzte Ehe für alle.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zügige Gespräche mit der SPD über eine Regierungsbildung angemahnt. Merkel sagte am Montag in Berlin, dass die Gespräche « zügig », aber auch « gründlich » geführt werden müssten. Ziel müssten « stabile Regierungsverhältnisse » sein, die Voraussetzung dafür seien, die anstehenden Herausforderungen in Deutschland, Europa und der Welt anzugehen. Die Kanzlerin machte dabei erneut deutlich, dass sie eine Minderheitsregierung nicht als stabile Lösung ansehe.
« Der Maßstab muss sein: Was braucht unser Land », sagte Merkel zu den anstehenden Gesprächen. Neben Unterschieden sehe sie auch eine « ganze Reihe von Schnittmengen » mit den Sozialdemokraten, etwa bei der Sicherung des Wohlstandes, der Digitalisierung, der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland und der Fortentwicklung Europas.
Forderungen aus der SPD nach einer Bürgerversicherung im Gesundheitssystem erteilte die Kanzlerin erneut eine Absage. Die CDU lehne eine « Einheitskasse » ab. Der « Wettbewerb zweier Systeme » werde nicht besser, « wenn man ihn abschafft », sagte sie mit Blick auf die Zweiteilung in gesetzliche und private Krankenkassen. Allerdings gebe es « strukturelle Defizite » im Gesundheitssystem, wo eine « Vielzahl von Verbesserungen » für Beschäftigte und Patienten » erreicht werden könnten.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat sich gegen eine von CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn ins Spiel gebrachte mögliche Minderheitsregierung ausgesprochen. « Wir müssen handlungsfähig sein, insbesondere auch mit Blick auf Europa », sagte Kramp-Karrenbauer am Montag im ARD-Morgenmagazin. Es sei kaum vorstellbar, bei wichtigen Fragen wochenlang und monatelang mit allen Parteien im Bundestag zu verhandeln. Durch eine Minderheitsregierung wäre keine « stabile Politik » gewährleistet.
Spahn hatte vor Beginn der Gespräche mit der SPD über eine mögliche Neuauflage der großen Koalition eine Minderheitsregierung als Alternative bezeichnet. « Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben alleine », sagte er.
CDU-Vize Julia Klöckner hat die SPD unterdessen davor gewarnt, mit zu weitgehenden Forderungen in Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung zu gehen. Im Sender NDR warf Klöckner den Sozialdemokraten am Montag zudem ein taktisches Spiel vor, wenn sie bei anstehenden Verhandlungen auf Zeit spielten.

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