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Holocaust-Überlebende Esther Bejarano in Hamburg gestorben

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Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano ist nach kurzer, schwerer Krankheit heute im Alter von 96 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben. Das bestätigte der Vorstand des Auschwitz Komitees. Sie überlebte in der Nazi-Zeit das KZ Auschwitz – und wurde zur Mahnerin gegen Antisemitismus. Ein Porträt.
von Oliver Diedrich, NDR.de « Frech wie Oskar », nannte ihr Vater sie, als Esther Bejarano ein kleines Kind war. « Brav » sein wollte sie auch in hohem Alter immer noch nicht: Wenn in ihrem Wohnort Hamburg ein Prozess gegen einen früheren KZ-Wächter lief, saß sie im Saal und nannte die Verhandlung « eine Farce » und « furchtbar ». Wenn in ihrer Stadt Flüchtlinge drangsaliert wurden, schimpfte sie öffentlich, das sei « eine Schande für die Stadt ». Und wenn irgendwo Neonazis aufmarschierten, sang sie laut mit Rappern gegen Rassismus und Antisemitismus an. Bejarano mischte sich ein, weil sie aus Erfahrung wusste, dass allzu viele Menschen lieber weggucken. Als junge Frau hatte sie Auschwitz überlebt. Danach ging sie nach Palästina. In den 1960er-Jahren kehrte Bejarano nach Deutschland zurück. Damals merkte sie rasch, dass auch der Rechtsextremismus überlebt hatte. Jahrzehntelang engagierte sich Bejarano dafür, Auschwitz nicht zu vergessen. Sie war eine vielfach ausgezeichnete Friedensaktivistin und bekam das Große Bundesverdienstkreuz. Bejarano wurde als Esther Loewy im Saarland geboren. Ihr Vater Rudolf Loewy war Kantor einer jüdischen Gemeinde. Esther war das jüngste von vier Geschwistern. In ihrem Buch « Erinnerungen » beschrieb sie ihre unbeschwerte Kindheit in einem musikalischen Elternhaus. Doch als Esther zehn Jahre alt war, änderte sich ihre Welt: « Der Antisemitismus machte sich breit. » Sie und ihre Geschwister, alle jüdischen Kinder, durften plötzlich nicht mehr auf « arische » Schulen. Bejarano erzählte, wie damals die Repressionen zunahmen. Wie Freunde und Familienmitglieder ins Ausland flohen vor der immer wilderen NS-« Rassenpolitik ». Esther wurde schließlich von ihren Eltern in ein Vorbereitungslager zur Auswanderung nach Palästina geschickt. Doch zur Emigration kam es nicht mehr.1941 steckten die Nazis sie und andere Auswanderungswillige in Zwangsarbeiterlager. Bei einer Konfrontation mit Polizisten brach die 16-jährige Esther in Tränen aus. « Hab dich nicht so, du wirst noch Schlimmeres erleben », sagte man ihr da. Am 20. April 1943 stieg Esther in Auschwitz aus einem Viehwaggon. In Ihrem Buch erinnerte sie sich, wie bei der Ankunft alle Kranken, Mütter mit kleinen Kindern, Schwangere und Ältere ausgesondert wurden. « Sie fuhren in die Gaskammern, was wir damals noch nicht wussten. » Die anderen Gefangenen mussten sich vor den SS-Männern ausziehen und nackt die Haare scheren lassen. Dann wurde ihnen eine Nummer auf den Arm tätowiert. « Ich bekam die 41948. Namen wurden abgeschafft, wir waren nur noch Nummern. » Sie und ihre Mitgefangenen schliefen auf Brettern, ohne Stroh und ohne Decken. Sie erhielten wenig Essen, mussten Steine schleppen. « Sie waren so schwer, dass einige Frauen schlappmachten. » SS-Wächter prügelten auf die Geschwächten ein. Esther war zierlich und nur 1,48 Meter groß. « Ich glaube, wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, aus dieser Kolonne rauszukommen, wäre ich elendig zugrunde gegangen. » Doch Esther hatte Glück. Sie wurde gefragt, ob sie im Lager-Orchester mitwirken kann. Gesucht wurde eine Akkordeonspielerin.

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