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Steinmeier überrascht und Merkel taucht wieder auf

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Die 17. Bundesversammlung ist denkwürdig. Der wiedergewählte Bundespräsident hält vielleicht seine beste Rede, der Kanzler trifft eine Frau im Brautschleier.
Da darf auch mal kurz die Maske fallen. Elke Büdenbender fällt ihrem Mann, dem gerade mit 1045 Stimmen zum Bundespräsidenten wiedergewählten Frank-Walter Steinmeier, um dem Hals. Erster Gratulant danach ist Gerhard Trabert, der Kandidat der Linken. Ihm wird Steinmeier später noch ein besonderes Angebot machen. Dann muss er vom oberen Stockwerk im Paul-Löbe-Haus, wo er den Wahlgang der Bundesversammlung verfolgt hat, erst einmal viele Treppen hinunterschreiten. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) überbrückt die Zeit mit Hinweisen: Blumensträuße und Glückwünsche bitte erst nach der Rede, danach werde zunächst noch die Nationalhymne gespielt, „und nicht mitgesungen, wegen der Pandemie“. Mitsummen sei aber erlaubt. Als Steinmeier das Foyer erreicht hat, nickt ihm der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz zu, Angela Merkel gleich mehrfach. Die erstmal wieder öffentlich aufgetauchte Altkanzlerin ist vielleicht die begehrteste Selfie-Darstellerin an diesem Tag. [Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.] Im Schloss Bellevue hatten sie Überraschungen angekündigt – und Steinmeiers Rede liefert diese. Sie ist vielleicht seine stärkste bisher. Er, der als Außenminister immer um Dialog mit und Verständnis für Russland geworben hat, sagt ihm hier, beim Hochfest der Demokratie, den Kampf an. „Ich kann Präsident Putin nur warnen: Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie.“ Er appelliere an Putin: „Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine“. Kanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt es in der ersten Reihe regungslos zur Kenntnis, ob er bei seinem Besuch in Moskau am Dienstag eine Lösung finden kann? Bas hatte zuvor in ihrer Rede an die Vernunft appelliert: „Jeder Krieg kennt nur Verlierer.“ Steinmeier mahnt die 1472 Wahlleute, sich nicht kleiner zu machen als man ist, die Demokratie sei stark. Er erwarte in seiner zweiten Amtszeit eine Verschärfung der Auseinandersetzung mit autoritären Regimen wie China und Russland. Im Inneren wie im Äußeren will er allen Demokratiegegnern den Kampf ansagen. Wer bei ihm klare Kante vermisste, bekommt sie an dem Tag. Mit Blick auf die, die von einer Corona-Diktatur schwafeln, sagt er: „Es gibt eine rote Linie und die verläuft bei Hass und Gewalt.“ Immer wieder klatscht seine Frau heftig, die oben sitzen bleiben musste. Steinmeier macht seinem Gegenkandidaten von der Linken ein Angebot Und dann ist da noch eine Leerstelle, die Kritiker bei ihm, dem früheren Architekten der Hartz-Reformen, sehen: Kümmert er sich genug um die soziale Schere im Land? Steinmeier spricht direkt den oben sitzenden Sozialmediziner und Präsidentschaftskandidaten Trabert an, der immerhin 96 Stimmen bekommen hat. Trabert engagiert sich seit Jahrzehnten für die medizinische Versorgung von Obdachlosen und in der Flüchtlingshilfe. „Sie haben mit Ihrer Kandidatur auf ein Thema aufmerksam gemacht, das mehr Aufmerksamkeit verdient: die Lage der Ärmsten und Verwundbarsten in unserem Land.“ Steinmeier spricht quasi eine Einladung ins Schloss aus, um sich von Trabert in der Frage beraten zu lassen. [Für alle, die Berlin schöner und solidarischer machen, gibt es den Tagesspiegel-Newsletter „Ehrensache“. Er erscheint immer am zweiten Mittwoch im Monat.

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