Sahra Wagenknecht gibt BSW-Vorsitz ab – Was sie jetzt machen will
Sahra Wagenknecht zieht sich vom BSW-Vorsitz zurück. Fabio De Masi soll übernehmen. Was die ehemalige BSW-Chefin jetzt machen will.
Für das BSW beginnt ein neues Kapitel: Die Gründerin und prägende Stimme der Partei, Sahra Wagenknecht, gibt den Bundesvorsitz ab. „Um mich weiter für das BSW gerade in den Feldern einzusetzen, wo meine Stärken liegen, haben wir uns darauf verständigt, die Arbeit in Zukunft besser aufzuteilen und sie auf ein größeres Team zu verteilen“, sagte die 56-Jährige in Berlin. Als Parteichefin sei sie zuletzt zu stark durch „Parteimanagement und Organisation“ gebunden gewesen. Wagenknecht will nun den Kopf wieder frei haben „für das, was dem BSW wirklich helfen kann“.
An der Spitze der Partei soll künftig Amira Mohamed Ali stehen – an ihrer Seite Fabio De Masi, der noch beim Parteitag Anfang Dezember bestätigt werden muss. Wie Wagenknecht war auch De Masi ursprünglich Mitglied der Linken. Von 2017 bis 2021 saß er für die Partei im Bundestag, war stellvertretender Fraktionsvorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher. Im September 2022 erklärte er auf X seinen Austritt: Er wolle „nicht mehr in Verantwortung für das eklatante Versagen der maßgeblichen Akteure in dieser Partei genommen werden“. Im Januar 2024 trat er dem BSW bei – getrieben von Kritik an der Politik der Ampelregierung, die er als wirtschaftlich desaströs und als „Erntehelferin der AfD“ bezeichnete. Der 45-Jährige gilt als Wirtschafts- und Finanzexperte und sitzt für das BSW im Europäischen Parlament.
Meine schwerste Entscheidung
Wagenknecht selbst will künftig die Leitung einer Grundwertekommission übernehmen – sofern sie dafür gewählt wird. Das Gremium soll das Profil des BSW schärfen und die Zusammenarbeit von Bundes- und Landesebene enger verzahnen. Neben Parteimitgliedern sollen auch „nahe stehende“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Teil der Kommission sein, um mit Expertise die zentralen Politikfelder Wirtschaft, Sozialpolitik sowie Freiheit und Digitalisierung zu präzisieren.
Durch das Gremium bleibe Wagenknecht Mitglied des Präsidiums und könne gleichzeitig die strategische Ausrichtung der Partei vorantreiben. „Das BSW war nie eine Ein-Frau-Partei, auch wenn das oft so geschrieben wurde“, betonte die ehemalige Linken-Politikerin. Nun werde die Führungsarbeit sichtbarer auf mehrere Schultern verteilt.
Weitere neue Mitglieder im Präsidium sollen sein: Frederike Bender (bisher Landesvorsitzende Brandenburg), Ahmad Rabie (Landeschef NRW), Shervin Haghsheno (Partei-Vize), Christian Leye (bisher Generalsekretär), Jessica Tatti (Co-Chefin BSW Baden-Württemberg), der Publizist Michael Lüders sowie Oliver Skopec (Landtagsabgeordneter NRW). Wer neuer Generalsekretär wird, will die Partei im Laufe der Woche bekanntgeben.
„Ich habe den Besuch hier mit etwas Praktischem verbunden: Ich habe mir einen Hausausweis für den Bundestag besorgt und bin mir sicher, dass ich den auch brauchen werde“, sagte De Masi. „Das BSW wird in den Bundestag einziehen mit Sahra Wagenknecht als Fraktionsvorsitzenden.“
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Denn: Bei der Bundestagswahl im Februar war das BSW mit 4,981 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert – es fehlten 9529 Stimmen. Rund 2,5 Millionen Menschen hatten für die Partei gestimmt. Diese beanstandete Auszählungsfehler und stellte zunächst einen Antrag auf Neuauszählung beim Bundesverfassungsgericht – erfolglos. Nun richtet sich die Hoffnung auf den Wahlprüfungsausschuss des Bundestags, der den Einspruch derzeit prüft. Ein Termin für eine Entscheidung steht noch nicht fest. „Eine Neuauszählung muss zu einer Umgestaltung der Regierung führen“, sagte Wagenknecht. Sollte der Ausschuss wieder vertagen, will sie notfalls erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Neben der personellen Neuaufstellung steht auch eine Umbenennung der Partei an. Zwar soll das Kürzel BSW bleiben, die ausgeschriebene Form jedoch geändert werden. Der offizielle Vorschlag der Parteiführung lautet „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“. Der Landesverband Rheinland-Pfalz hält das für zu wenig griffig und will stattdessen: „Bürger schaffen Wandel – Vernunft und Gerechtigkeit“. Die Entscheidung soll ebenfalls auf dem Parteitag im Dezember fallen.
Das BSW steckt derzeit in einer angespannten Lage. Bundesweit liegt die Partei in Umfragen nur noch bei drei bis vier Prozent. Besonders in Brandenburg, wo das BSW seit Dezember 2024 gemeinsam mit der SPD regiert, brodelt es: Die Koalition streitet über zwei Medienstaatsverträge. Sollte es dennoch zu Streit kommen, wäre ein Koalitionsbruch denkbar. „Wir wollen die Koalition fortsetzen, fordern aber grundlegende Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks“, sagte Wagenknecht in Berlin.
In Sachsen-Anhalt spitzt sich ebenfalls der interne Streit im BSW zu. Nach einem Bericht des „Stern“ ist der Landesvorstand tief zerstritten: Dort soll nun ein Sonderparteitag klären, wie sich die Landespartei in Zukunft aufstellen will – insbesondere mit Blick auf die Landtagswahl 2026. Grundsätzlich ringt die Partei um eine klare Haltung zur Frage, ob und in welchem Umfang sie auf Länderebene Regierungsverantwortung übernehmen sollte. So äußerte Wagenknecht sich etwa wiederholt kritisch zur sogenannten Brombeer-Koalition mit CDU und SPD in Thüringen, während die BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf diese nachdrücklich verteidigt.