„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“ Klare Worte von Kanzlerin Angela Merkel, die nicht nur in Deutschland Wellen schlagen – zeigen sie doch, wie wenig noch auf
„Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“
Klare Worte von Kanzlerin Angela Merkel, die nicht nur in Deutschland Wellen schlagen – zeigen sie doch, wie wenig noch auf die Vereinigten Staaten unter ihrem neuen Präsidenten Donald Trump Verlass zu sein scheint.
„Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei“, sagte Merkel in einer Bierzeltrede am Sonntag in München-Trudering mit Blick auf die neue US-Regierung und den bevorstehenden Brexit.
Es müsse natürlich bei der Freundschaft zu den USA und Großbritannien bleiben, sagte Merkel. „Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unser Schicksal kämpfen“, sagte Merkel.
Nach dem weitgehend gescheiterten G7-Gipfel von Taormina dringen führende deutsche Politiker auf eine engere Zusammenarbeit der europäischen Staaten.
Groß ist zudem der Schock über Trumps Verhalten auf den internationalen Treffen …
► Linke-Chefin Katja Kipping im BILD-Talk „Die richtigen Fragen“ z u Trumps grober Schubs-Attacke gegen Montenegros Premier Dusko Markovic beim Nato-Gipfel: „Es zeigt, dass Trump ein Problem hat und dringend professionelle Hilfe benötigt. Das freundlichste, was mir zu Trump noch einfällt, ist, dass er ein infantiler Narzisst ist!“
Deutschland müsse „mit dem Duckmäusertum gegenüber den USA“ aufhören und „eine klare Kante gegen das Aufrüstungs-Diktat von Trump“ zeigen, forderte Kipping.
► Amerika-Experte Johannes Vogel (FDP) im BILD-Talk: „Ein Präsident Trump versteht nur klare Ansagen!“ Europa müsse stärker und erwachsener werden – vor allem in der Außen- und Verteidigungspolitik. Das könne auch eine Chance sein. Trotzdem ist er optimistisch: „Die transatlantischen Beziehungen werden über vier Jahre hinausreichen.“ Es ginge jetzt auch darum, zu verhindern, dass sich der Anti-Amerikanismus in Deutschland weiter ausbreite.
► „Die Reise nach Saudi-Arabien, der Nato-Gipfel und das G7-Treffen zeigen, dass es an der Zeit, dass die Europäer endlich das ernst nehmen, was Trump sagt. (…) Frau Merkel hat einen Realitätsschock erlitten!“, sagte der Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin.
Die Antwort auf Trump müsse ein „gemeinsames, gestärktes Europa“ sein. Dennoch dürfe der Dialog mit den USA nicht abreißen. Jede Frage müsse mit dieser Administration zäh verhandelt werden.
► Diese Haltung unterstützt auch der SPD-Vorsitzende Martin Schulz. In einem ARD-Interview sagte er: „Eine stärkere Kooperation der europäischen Staaten auf allen Ebenen ist die Antwort an Donald Trump.“
► „Dass Amerika, das wir heute sehen, ist ein anderes, als das, dass wir die vergangenen Jahrzehnte gesehen haben“, sagte die Außenpolitik-Expertin und Journalistin Antonia Rados im BILD-Talk „Die richtigen Fragen“ am Montagmorgen. Schon Trump Vorgänger, Barack Obama, habe außenpolitisch wenig getan, sei etwa im Syrien-Konflikt zu passiv gewesen. Zum G7-Gipfel sagt Rados: „Wahrscheinlich war diese Welt noch nie so kompliziert wie seit dem Zweiten Weltkrieg. (…) Es war auch ein Gipfel der Wahrheit und hat uns gezeigt, wo diese Welt steht.“
► Der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sagte in der ARD zu den Beziehungen mit den USA: „Wir sind auf einem Tiefpunkt.“ Das habe G7 nochmals deutlich gezeigt. „Da ist leider außer Spesen nichts gewesen.“
► Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hält den Kurs der transatlantischen Neuorientierung Deutschlands und Europas von Kanzlerin Angela Merkel für richtig. „Die Kanzlerin hat natürlich Recht: Europa muss sein Schicksal stärker selbst in die Hand nehmen“, sagte Ischinger BILD.
Ischinger warnte jedoch vor einem Kappen der transatlantischen Verbindungen. „Wir Europäer können alle unsere globalen Ziele leichter durchsetzen, wenn wir sie gemeinsam mit den USA vertreten. Deshalb müssen wir mit strategischer Geduld weiter daran arbeiten, dass Trump erkennt, dass wir Europäer weit und breit seine besten Partner sind.“
► Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, warf Trump vor, die weltweite Führungsrolle der USA aufs Spiel zu setzen. „US-Präsident Trump hat sich im Kreis der G7 mit fehlerhaften Analysen und fortwährender Wahlkampfrhetorik isoliert“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Auch in den USA wurde Merkels Rede in Bayern mit großer Aufmerksamkeit registriert. In den wichtigen Medien war sie eines der großen Themen und löste eine größere Debatte aus.
► Der Politikwissenschaftler Yascha Mounk von der Elite-Uni Harvard (Massachusetts) sagte in „Die richtigen Fragen“, Europa müsse jetzt selbstbewusst für freiheitlich-demokratische Werte eintreten. Zugleich plädierte er im BILD-Interview für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Die helfe dabei, das transatlantische Verhältnis zu kitten und gebe Europa zugleich mehr Selbstständigkeit, was die eigene Sicherheit betrifft.
► „Merkel schlägt ein neues Kapitel der US-europäischen Beziehungen auf“, schrieb die „Washington Post“ und bescheinigte der Kanzlerin „eine düstere Auslegung der transatlantischen Bindungen, die das Fundament der Sicherheit des Westens in Generationen seit dem Zweiten Weltkrieg waren“. Merkel habe sich eindeutig gegen Trump gewandt, so das Blatt: „Sie hat ihn glasklar zurückgewiesen, ohne ihn ein einziges Mal beim Namen zu nennen.“
► „Die Kanzlerin, Europas einflussreichste Anführerin, schaut bereits über Trump hinaus“, schrieb die „New York Times“. Erkennbar enttäuscht habe sie aus den Begegnungen beim G7-Gipfel geschlossen, dass die USA unter Trump ihrem Land und ihrem Kontinent nicht mehr der verlässliche Partner seien, an dem man sich früher wie automatisch orientiert habe.
► Die Kolumnistin Anne Applebaum schrieb auf Twitter: „Seit 1945 haben erst die UdSSR und dann Russland versucht, einen Keil zwischen Deutschland und die USA zu treiben. Dank Trump hat Putin es geschafft.“
► Der New Yorker Medienwissenschaftler Jeff Jarvis kommentierte Merkels Ansprache auf Twitter: „Dieses ist eine bedeutende Rede in der Restrukturierung der Weltmächte. Wer bei Sinnen ist, muss ein starkes Europa unterstützen, um Russland zu kontern – und Trump.“
Viele Kommentare in sozialen Netzwerken verwiesen aber auch darauf, dass die Kanzlerin in einem Bierzelt gesprochen habe: Wer aus dieser Rede nun eine Neudefinition des transatlantischen Verhältnisses machen wolle, blase eine Wahlkampfrede unverhältnismäßig auf.
Beim G7-Gipfel in Italien hatten die Staats- und Regierungschefs kaum Fortschritte erzielt.
Die großen Industrienationen scheiterten mit dem Versuch, Trump ein Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzvertrag abzuringen. Eine endgültige Entscheidung dazu kündigte Trump für die kommende Woche an.
Bei der Haltung zum Klimaabkommen stehe es sechs zu eins, sagte Merkel nach dem Ende der Beratungen am Samstag. Die Isolation der USA in der Frage wurde auch in der Abschlusserklärung klar benannt, was ungewöhnlich für die G7 ist.
Und auch in der Handelspolitik fanden die G7 erst in letzter Minute eine gemeinsame, gesichtswahrende Formulierung …
Hier war zunächst eine tiefe Spaltung befürchtet worden. Die G7 bekennen sich in der Abschlusserklärung nun dazu, „Märkte offen zu halten und Protektionismus zu bekämpfen, während wir uns gegen alle ungerechten Handelspraktiken stellen“. Was unter solchen ungerechten Praktiken zu verstehen ist, blieb aber offen.
Trump pries seine Europa-Reise nach seiner Rückkehr in die USA als gelungen. Die Reise sei „ein großartiger Erfolg für Amerika“, schrieb der US-Präsident am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter. „Harte Arbeit, aber große Ergebnisse“, twitterte Trump.
Vor seiner Reise zum G7-Gipfel hatte Trump am Donnerstag in Brüssel bei seinem ersten Nato-Gipfel mit einer regelrechten Standpauke höhere Militärausgaben der europäischen Nato-Mitglieder gefordert.
Beim Gipfel in Taormina auf Sizilien einigten sich die G7-Länder entgegen ursprünglicher Befürchtungen auch auf eine kurze Passage zum Thema Flüchtlinge. Unter der vagen Überschrift „Mobilität der Menschen“ werden die Menschenrechte aller Flüchtlinge und Migranten bekräftigt, aber auch das Recht von Staaten, ihre Grenzen zu kontrollieren.
► Hilfsorganisationen sprachen von einem „Desaster“. Die G7 hätten keinerlei konkrete Hilfszusagen gemacht, um Fluchtursachen zu bekämpfen, kritisierte die Organisation One. Am Samstagnachmittag protestierten rund 2000 Globalisierungskritiker nahe dem Gipfelort gegen die Politik der G7.
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