My Friend Cayla: Vernichten Sie diese Puppe
Handelt es sich bei Cayla um eine verbotene Sendeanlage? Die Bundesnetzagentur jedenfalls rät Eltern, das vernetzte Spielzeug zu entsorgen. Der Hersteller widerspricht.
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort
Abhöranlage hören? Vermutlich an Satellitenschüsseln und Richtmikrofone, an
Serverräume und Spione, die mit Kopfhörern in dunklen Räumen sitzen, um
Nachrichten abzufangen. Woran Sie wahrscheinlich nicht denken ist eine blonde,
blauäugige Puppe namens Cayla, die inzwischen in zahlreichen Kinderzimmern zu finden ist.
Doch genau diese Puppe könnte eine
« versteckte, sendefähige Anlage » sein, sagt die Bundesnetzagentur. In den
vergangenen Wochen hat die Behörde deshalb verschiedene Verkaufsstellen aufgefordert,
Cayla aus dem Angebot zu nehmen. Wer sie bereits besitzt, soll sie vernichten oder professionell entsorgen. Weil der Besitz einer solchen Anlage strafbar ist, soll idealerweise der entsprechende « Vernichtungsnachweis »
einer « Abfallwirtschaftsstation » an die
Bundesnetzagentur geschickt werden. So können die Käufer nachweisen, dass sie nicht mehr im Besitz des Produkts sind.
My Friend Cayla ist ein Produkt des
britischen Spielzeugherstellers Genesis und wird von der Firma Vivid vertrieben.
Es ist ein Smart Toy,
also ein Spielzeug, das sich mit dem Internet verbinden kann. Die Puppe verfügt
über ein Mikrofon und einen Lautsprecher und kommuniziert über Bluetooth mit einer
Smartphone-App. Leuchtet ihre Halskette, ist die Puppe online und Kinder können Fragen
stellen, die Cayla anschließend versucht zu beantworten.
Bereits im Dezember warnten europäische
Verbraucherschützer vor Cayla und ähnlichen Produkten. « Die mit dem
Internet verbundenen Spielzeuge My Friend Cayla und i-Que [ein weiteres Produkt des Herstellers, Anm. d. Red.] scheitern grundsätzlich in Sachen Sicherheit und
Datenschutz », schrieb
die Verbraucherschutzorganisation Beuc. So würden die aufgenommenen
Spracheingaben nicht nur auf externen Servern gespeichert und zu Werbezwecken
genutzt. Es sei denkbar, dass sich Unbefugte Zugriff auf die
Mikrofone der Spielzeuge verschaffen.
Das fand unter anderem eine
Untersuchung der norwegischen Verbraucherschutzbehörde Forbrukerrådet
heraus. In der Regel benötigt das erstmalige Verknüpfen zweier Bluetooth-Geräte
(also etwa das Smartphone mit der Puppe) die Eingabe eines Sicherheitscodes. Im
Fall von Cayla gibt es diese Überprüfung nicht. Jeder, der im Empfangsbereich
der Puppe ist, kann sich somit über die App mit der Puppe verbinden.
Anschließend sei es mit einem einfachen Trick möglich, das Mikrofon zu
aktivieren – die Puppe würde somit zu einer Wanze werden, schrieben die Tester.
Zu einem
ähnlichen Ergebnis kam der Jura-Student Stefan Hessel von der Universität
Saarbrücken in einem Rechtsgutachten, wie die
Saarbrücker Zeitung am Donnerstag berichtete. « Die
Puppe vermittelt für sich genommen den Eindruck, dass es sich um ein
gewöhnliches Kinderspielzeug ohne technische Funktion handelt », sagt
Hessel. Tatsächlich sei es aber möglich, auf das Mikrofon zuzugreifen, ohne
dass die Puppe dies mit ihrem leuchtenden Schmuck anzeigt.
Hessel wollte wissen, ob es sich bei
Cayla um eine
nach § 90 Telekommunikationsgesetz (TKG)
verbotene Sendeanlage handelt. Diese würde « ihrer Form nach
einen anderen Gegenstand vortäuschen » oder als ein « Gegenstand des
täglichen Gebrauchs » getarnt sein. Die Einführung, der Besitz und die
Verbreitung einer solchen Sendeanlage ist in Deutschland verboten.
Laut Hessels Gutachten erfüllt
Cayla die Voraussetzungen. Weil die Übertragung per Funk stattfindet, sei sie
eine Sendeanlage. Weil es für Dritte nicht ohne Weiteres erkenntlich ist, dass
in ihrem Inneren ein Mikrofon steckt, liege eine Tarnung vor. Zudem sei sie
zum heimlichen Abhören geeignet, auch wenn Hessel darauf hinweist, dass
die Frage nach der Zweckbestimmtheit einen gewissen Interpretationsspielraum
lässt.
Hessel legte seine Ergebnisse der
Bundesnetzagentur vor. « Von dort bekam ich Rückmeldung, dass man meine
Auffassung teilt, und die Puppe verboten ist », sagt der Student. Bereits
am 24. Januar sagte
Jochen Homann , Präsident der Bundesnetzagentur: « Wer die sprechende
Puppe Cayla kennt, weiß, dass diese Form der Alltagsspionage schon in die
Kinderzimmer vorgedrungen ist. » Man wolle Cayla deshalb « aus dem
Verkehr ziehen ». Oder eben die Besitzer bitten, die Puppe zu zerstören.
Der Hersteller Vivid widerspricht der Auffassung in einer Stellungnahme gegenüber dem IT-Portal golem.de : « My Friend Cayla verstößt in keiner Weise gegen Paragraph 90 TKG. Der verlangt, wie auch die Gesetzesbegründung klarstellt, für einen Verstoß neben anderen Voraussetzungen ausdrücklich, dass das betreffende Gerät in besonderer Weise dazu bestimmt ist, das nichtöffentlich gesprochene Wort unbemerkt abzuhören ». Dies sei im Fall der Puppe nicht gegeben, die Auffassung der Bundesnetzagentur sei somit nicht haltbar. Es gebe keinen Grund, die Puppe zu zerstören weil es sich nicht um ein « Spionagegerät » handelt. Vivid will die Fragestellung zudem noch einmal « gerichtlich prüfen lassen ».
© Source: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2017-02/my-friend-cayla-puppe-spion-bundesnetzagentur
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