Sichtlich stolz zeigt uns Horst Seehofer seine neue CSU-Zentrale in der Parkstadt Schwabing in München. Im alten Bürogebäude in der Nymphenburger Straße sei es im Sommer zu heiß und im Winter zu kalt für die Mitarbeiter gewesen.
In seinem Büro mit Franz-Josef-Strauß-Büste deutet Seehofer auf die schwarzen Ledersessel: „Dort werde ich mit Angela Merkel eine Stunde vor dem Gipfeltreffen unter vier Augen sprechen.“ Am nächsten Wochenende treffen sich die Spitzen von CDU und CSU zum „Friedensgipfel“. Der Gegner im Wahlkampf steht seit dieser Woche fest.
Am 5. und 6. Februar treffen sich Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer mit ihren Führungsteams zum „Friedensgipfel“.
BILD am SONNTAG: Herr Ministerpräsident, die SPD will mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat antreten. Ist Schulz Wunsch- oder Angstgegner der Union?
Horst Seehofer: „Weder noch. Wir sehen das gelassen. Klar ist aber: Der Wahlkampf wird für die Union damit noch ein bisschen anspruchsvoller. Denn ein Personalwechsel sorgt wie im Sport zunächst einmal für Hoffnung und zusätzliche Motivation bei der SPD.“
Hat Schulz gegen Angela Merkel eine Chance?
Seehofer: „Die Umfragewerte für Martin Schulz sind Momentaufnahmen. Als neues Gesicht hat er erst mal einen Bonus. Aber der Wahlerfolg wird uns nicht in den Schoß fallen, wir werden weiterhin hart dafür arbeiten müssen.“
Nächstes Wochenende treffen sich die Spitzen von CDU und CSU zum „Friedensgipfel“ hier in der Parteizentrale. Welches Signal soll von dem Treffen ausgehen?
Seehofer: „Wir wollen und müssen uns treffen, weil es eine neue innenpolitische Lage gibt und weil die ganze Welt im Umbruch ist. Deshalb ist es kein Versöhnungs- sondern ein „Zukunftsgipfel“. Es geht um Wirtschaft, Sicherheit, Zuwanderung und um Europa.“
Die CSU hat noch gar nicht erklärt, ob sie Merkel als Kanzlerkandidatin unterstützt. Werden Sie das dann verkünden?
Seehofer: „Angela Merkel wird nach diesem Gipfel die gemeinsame Kanzlerkandidatin von CSU und CDU sein.“
Warum sind Sie zur Überzeugung gelangt, dass Angela Merkel Deutschland weiter regieren muss?
Seehofer: „Wir haben großes Interesse an einer starken Kanzlerin. Angela Merkel repräsentiert Deutschland nicht nur erstklassig, sondern führt auch auf internationaler Ebene. Mit Angela Merkel kann die CSU die meisten ihrer Vorstellungen realisieren: Es geht um die Sicherheit in unserem Land, aber auch um soziale Gerechtigkeit für Familien, die Sicherheit der Rente, die Anliegen der kleinen Leute und um Ordnung und Orientierung bei der Zuwanderung. Auch wenn es noch unterschiedliche Meinungen bei der Obergrenze gibt, überwiegen die Gemeinsamkeiten mit der Bundeskanzlerin bei Weitem. Das alles rechtfertigt, dass wir gemeinsam in den Wahlkampf ziehen.“
Den Streit um die Obergrenze nehmen Sie mit in den gemeinsamen Wahlkampf?
Seehofer: „Wir geben unsere Position in dieser Frage nicht auf, weil sie richtig ist und weil wir unsere Glaubwürdigkeit nicht beschädigen werden. Neben dem gemeinsamen Wahlprogramm mit der CDU wird es wieder einen Bayern-Plan geben. Und in dem steht die Obergrenze ganz klar drin. Nach einem Wahlsieg der Union werden wir bei Koalitionsverhandlungen dafür sorgen, dass unsere Forderung zum Tragen kommt. Da gilt das Gleiche wie bei der Pkw-Maut vor vier Jahren: ohne Obergrenze keine Koalition mit der CSU.“
Seehofer macht sich nach seinem Schwächeanfall im November vergangenen Jahres mehr Gedanken um seine Gesundheit. Für ein Foto im Innenhof will er höchstens eine Minute raus in die Kälte. Er ist froh, dass er sich in diesem Jahr noch keine Erkältung eingefangen hat.
Die Spitzenkandidaten von SPD, CDU, Grünen und Linken für die Bundestagswahl stehen jetzt fest. Fehlt noch die CSU. Wen schicken Sie ins Rennen?
Seehofer: „Darüber werden wir am 6. Mai bei der Aufstellung unserer Landesliste entscheiden. Ich setze nicht auf Einzelpersonen, sondern auf eine Mannschaft.“
Die SPD wählt ihren Spitzenkandidaten Schulz im März auch zum Parteivorsitzenden. Ein Modell für die CSU, um die Nummer eins für Berlin mit mehr Autorität auszustatten?
Seehofer: „Auf diese Idee hat nicht die SPD das Urheberrecht. Ich habe schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass es notwendig sein könnte, dass unser Spitzenkandidat auch Parteivorsitzender ist.“
Könnte es sein, dass der CSU-Chef Seehofer dann nach Berlin geht?
Seehofer: „Ich selbst gehe nur nach Berlin, wenn der Himmel über Bayern einzustürzen droht. Ein starker Auftritt der CSU in der Hauptstadt setzt nicht die Präsenz von Horst Seehofer dort voraus. . .“
Rund 20 Monate vor der Landtagswahl verdichten sich die Anzeichen, dass Ministerpräsident Horst Seehofer noch einmal antritt.
Zu Beginn des Bundestagswahlkampfs will CSU-Chef Horst Seehofer sein Zerwürfnis mit Angela Merkel in der Flüchtlingskrise endlich kitten.
Sie haben vor Eigentoren im Wahlkampf gewarnt. Was meinen Sie damit konkret?
Seehofer: „Zum Beispiel den Vorschlag, dass man vor der Wahl noch die Steuern senken sollte. Das ist einfach nicht realistisch. Da müssen wir mit der Bevölkerung ehrlich umgehen. Wir wollen nach der Wahl eine Steuerentlastung von 15 Milliarden Euro und die Abschaffung des Solis. Da zieht die CDU mit.“
Ist eine Koalition mit den Grünen nach der Wahl der Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, die als offen für ein Bündnis mit der Union gelten, wahrscheinlicher geworden?
Seehofer: „Mein Maßstab ist das Parteiprogramm, das die Grünen beschlossen haben – und das ist ein Beispiel dafür, wie man Deutschland ruiniert. Die Grünen wollen die Erbschaftssteuer erhöhen, eine Vermögenssteuer einführen und das Ehegattensplitting abschaffen. Das ist eine wahre Orgie von Steuermehrbelastungen, die allein schon eine Koalition mit der CSU ausschließt. Zudem kann ich als Ministerpräsident des Autolandes Bayern kein staatliches Verbot von Verbrennungsmotoren in einer Regierung vereinbaren. Auch eine Politik der offenen Grenzen wird es mit uns nicht geben. Fazit: Diese Grünen scheiden für mich als Koalitionspartner aus.“
Hoffen Sie dann auf eine schwarz-gelbe Mehrheit?
Seehofer: „Wenn wir unser Wunschziel von 40 Prozent erreichen, können wir uns den Koalitionspartner aussuchen. Die FDP hat gute Chancen, sechs, sieben, acht Prozent zu holen.“
Ihr Generalsekretär Andreas Scheuer hat sich diese Woche mit Karl-Theodor zu Guttenberg getroffen. Gibt es für ihn ein Comeback in der CSU?
Seehofer: „Ich bemühe mich darum, dass uns Guttenberg mit seiner internationalen Erfahrung im Bundestagswahlkampf unterstützt.“
Ist denn überhaupt ein Spitzenplatz für Guttenberg frei?
Seehofer: „Zu keiner Minute hat Guttenberg in unseren Gesprächen irgendetwas gefordert. Wenn er wieder mitmacht, möchte er sich hinten anstellen. Das ist nobel und verdient Respekt. Ich jedenfalls fände es großartig, wenn er seiner politischen Familie, der CSU, in diesem entscheidenden Jahr 2017 hilft.“
Bei der Pkw-Maut fordern jetzt einige CDU-Politiker Sonderregelungen für Grenzregionen. Ärgert Sie das?
Seehofer: „Ich habe kein Verständnis für eine neue Maut-Diskussion. Die beiden Bedingungen aus dem Koalitionsvertrag sind erfüllt: Die Maut entspricht den europarechtlichen Vorgaben und kein Kfz-Halter in Deutschland wird zusätzlich belastet. Jetzt wieder mit Ausnahmen für Grenzregionen anzufangen, ist kein fairer Umgang. Die ständigen Querschüsse müssen unterbleiben.“
Österreich will sogar gegen die Maut klagen.
Seehofer: „Wie kommt ein Land dazu, sich gegen die deutsche Maut aufzulehnen, wenn es selbst die Autofahrer aus dem Ausland mit dem gleichen Instrument zur Kasse bittet? Eine solche Klage würde die gute Nachbarschaft beschädigen.“
Welche Lehren sind aus dem Fall des Attentäters Amri für die Einwanderungspolitik zu ziehen?
Seehofer: „Ich bin fassungslos, dass jemand 14 Identitäten haben und sich bei mehreren Behörden Geld abholen kann. Ein System, das zum Betrug geradezu einlädt, zerstört den Glauben an die Wehrfähigkeit des Rechtsstaats. Wir sollten bei allen Flüchtlingen, die 2015 und 2016 nach Deutschland eingereist sind, noch einmal genau hinschauen und sie mit Fingerabdruck registrieren. Viele Anerkennungsverfahren sind doch ohne persönliches Gespräch erfolgt, nur nach Formblatt. Da ist weder Herkunft noch Schutzberechtigung ordentlich überprüft worden.“
Wie finden Sie eigentlich Donald Trump?
Seehofer: „Ich habe Trump gratuliert und in den Freistaat Bayern eingeladen. Trump ist in einer demokratischen, freien Wahl zum US-Präsidenten gewählt worden. Das muss man respektieren. Diesen Respekt vermisse ich in diesen Tagen.“
Hat das nicht vor allem Trump selbst provoziert?
Seehofer: „Trump hat einen ganz anderen Politikstil, als wir das in Europa seit Jahrzehnten gewohnt sind. Er setzt mit Konsequenz und Geschwindigkeit seine Wahlversprechen Punkt für Punkt um. In Deutschland würden wir da erst mal einen Arbeitskreis einsetzen, dann eine Prüfgruppe und dann noch eine Umsetzungsgruppe. Das bedeutet aber ausdrücklich nicht, dass ich jede Maßnahme Trumps für richtig halte.“
Für was plädieren Sie im Umgang mit Trump oder auch mit Russlands Präsident Putin?
Seehofer: „Ich plädiere für Realpolitik statt Säbelrasseln. Wir müssen unterschiedliche Standpunkte klarmachen, etwa bei der Annexion der Krim, uns aber zugleich um vernünftige wirtschaftliche Beziehungen bemühen.“
Gegen Russland hat die EU Wirtschaftssanktionen verhängt .
Seehofer: „Die Sanktionen gegen Russland sollten in diesem Jahr beendet werden. Russland sollte auch in den Kreis der G 8 zurückkehren. Wir müssen raus aus dem Block-Denken des 20. Jahrhunderts. Es geht um gemeinsame Antworten auf Terror, Migration, Klimawandel. Eine Politik des „Wenn du mir, dann ich dir“ hilft da nicht weiter. Wer glaubt, wir könnten uns gleichzeitig mit den USA, Russland und Großbritannien anlegen, macht einen riesigen Fehler.“
Herr Seehofer, Sie hatten in der Vergangenheit mehrere Schwächeanfälle. Ihre Familie soll Sie mehrfach gebeten haben, kürzerzutreten. Wann kommen Sie dem Wunsch nach?
Seehofer: „Die Familie macht sich natürlich immer mehr Sorgen als man selbst. Ich habe meine Vorsätze für 2017, es mit Terminen nicht zu übertreiben, bislang eingehalten. Und schon stelle ich fest: Ich habe mehr Kraft, mehr Konzentration, mehr Aufnahmefähigkeit.“
Heißt der Nachfolger von Horst Seehofer 2018 wieder Horst Seehofer?
Seehofer: „Das kann ich weder bestätigen noch dementieren.“
Heute Nachmittag trifft Seehofer Angela Merkel zu einem vertraulichen Gespräch im Kanzleramt. Nach diesem Interview dürfte er besonders freundlich begrüßt werden. Auf die Unterstützung der CSU hat Merkel lange warten müssen.
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